Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

„Wir bieten kleine kosmetische Behandlungen an. Im Internet werben wir als „Ärzte für kosmetische Eingriffe“. Nun hat uns die Ärztekammer für diese Bezeichnung abgemahnt, da sie als Facharztbezeichnung für ästhetische Chirurgie missverstanden werden könne. Es handle sich um irreführende Werbung. Dabei geriert sich keiner unserer Ärzte als Plastischer Chirurg und wir nehmen auch keine Eingriffe vor, die lediglich diesen Fachärzten vorbehalten sind. Müssen wir unsere Webseite dennoch ändern?“ Diese und weitere Fragen Ihrer Kolleginnen und Kollegen beantwortet Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Sven Rothfuß.

Inflationsprämie für alle?

Frau Dr. E., Allgemeinmedizinerin

Wir sind ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit vielen Angestellten. Bis 2020 haben wir allen Mitarbeitern Urlaubsgeld bezahlt. In der Pandemie sind unsere Umsätze stark eingebrochen. Der Großteil der Belegschaft hat sich sehr solidarisch gezeigt und auf das Urlaubsgeld verzichtet. Lediglich einer hat auf seinen Anspruch bestanden und Urlaubsgeld erhalten. Da sich unsere Lage nun verbessert hat, haben wir den Mitarbeitern, die zuvor auf das Urlaubsgeld verzichtet hatten, eine Inflationsprämie gewährt. Jetzt hat uns der Mitarbeiter, der auch in der Pandemie nicht auf das Urlaubsgeld verzichtet hat, auf Zahlung der neuen Prämie verklagt. Müssen wir ihm die Prämie zahlen? Schließlich soll diese doch den Nachteil der Mitarbeiter, die damals auf das Urlaubsgeld verzichtet haben, ausgleichen. 

Herr Rothfuß:

„Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht der Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, bei der Anwendung selbst erlassener Regelungen auch gleich behandeln muss. Das Arbeitsgericht (ArbG) Paderborn hat in einem Urteil vom 06.07.2023 (Az. 1 Ca 54/23) in einem ähnlichen Fall aber klargestellt, dass eine Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein kann. Das ArbG sah den Ausgleich zwischen Mitarbeitern, die das Urlaubsgeld erhalten hatten und solchen, die darauf verzichtet hatten, als tauglichen Differenzierungsgrund an, der die unterschiedliche Behandlung rechtfertigte. Dem Mitarbeiter müsste daher in der vorliegenden Konstellation keine Inflationsprämie gewährt werden.“

Irreführende Werbung

Herr Dr. P., Hausarzt

In unserer Praxis werden kleine kosmetische Behandlungen angeboten. Im Internet werben wir als „Ärzte für kosmetische Eingriffe“. Nun hat uns die Ärztekammer für diese Bezeichnung abgemahnt, da sie als Facharztbezeichnung für ästhetische Chirurgie missverstanden werden könne. Es handle sich um irreführende Werbung. Dabei geriert sich keiner unserer Ärzte als Plastischer Chirurg und wir nehmen auch keine Eingriffe vor, die lediglich diesen Fachärzten vorbehalten sind. Müssen wir unsere Webseite dennoch ändern?

Herr Rothfuß:

„Das Landgericht (LG) Bochum ist in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 20.12.2023, Az. I-13 O 74/23) von irreführender Werbung ausgegangen. Die Bezeichnung könne bei Laien, deren Sicht maßgeblich sei, eine Fehlvorstellung hinsichtlich der Qualifikation der Behandler hervorrufen. Auch eine objektiv richtige Angabe sei als irreführend anzusehen, wenn sie bei Laien zu einer Fehlvorstellung führe. Die Bezeichnung erwecke nicht den Eindruck kosmetischer Behandlungen, sondern einer ärztlichen, in den Körper eingreifenden Behandlung. Die Bezeichnung sollte in der dargestellten Konstellation nicht verwendet werden.“

Ärztlicher Bereitschaftsdienst

Herr Dr. V., HNO-Arzt

Ich habe keine Kassenzulassung. Von der Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst bin ich befreit. Allerdings hat mich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nun zur Zahlung eines Beitrags zur Finanzierung des Notdienstes aufgefordert. Ich erinnere mich, dass die Privatärzte in Hessen mangels gesetzlicher Grundlage nicht an der Finanzierung beteiligt werden durften. Sie haben einen solchen Fall auch in der Ausgabe 08/2022 dargestellt. Muss ich dennoch zahlen? 

Herr Rothfuß:

„Das Landessozialgericht (LSG) Hessen ging etwa in einem Urteil vom 27.07.2022 (Az. L 4 KA 36/21) davon aus, dass es in Hessen keine taug­liche gesetzliche Grundlage gebe, um reine Privat­ärzte zur Teilnahme am bzw. zur Finanzierung des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes zu verpflichten; hierauf bezog sich auch unsere Antwort auf den Fall in der Ausgabe 08/2022. Im Revisionsverfahren hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 25.10.2023 (Az. B 6 KA 16/22 R) der Ansicht des LSG aber eine Absage erteilt: es gebe eine ausreichende gesetzliche Grundlage, um auch nicht kassenärztlich tätige Ärzte zum Bereitschaftsdienst zu verpflichten bzw. sie zur Finanzierung heranzuziehen. Daher müssen sich nun auch reine Privatärzte am Notdienst in Hessen beteiligen bzw. ihn mitfinanzieren.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174
50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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