Praxisabgabe – wie kalkuliere ich die Bewertung meiner Praxis?

Die Praxisabgabe und -bewertung ist ein wichtiger Schritt am Ende der beruflichen Laufbahn eines Praxisinhabers und im Lebenszyklus einer Arztpraxis. Der selbständige Arzt hat Jahrzehnte des eigenen Lebens in die Praxis investiert, doch jetzt steht eine Veränderung an. Dieser Veränderungsprozess stellt einen vor Herausforderungen, weshalb eine frühzeitige Planung der Abgabe von großer Bedeutung ist. Der rechtzeitige Beginn der Suche nach einem Nachfolger bzw. Käufer kann für einen reibungslosen Übergang in den verdienten Ruhestand sorgen.

Mit Blick auf den eigenen Ruhestand befürchten mehr als 72 % der Vertragsärzteschaft, keinen geeigneten Nachfolger für ihre Praxis zu finden. Das geht aus einer repräsentativen Online-Befragung hervor, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Dezember 2023 durchgeführt hat.1 Bei der Praxisabgabe und -bewertung handelt es sich um einen wichtigen Schritt im Leben des Praxisinhabers und im Lebenszyklus einer Arztpraxis. Es ist entscheidend, den Praxiswert möglichst korrekt zu ermitteln, um einen fairen Verkaufspreis festzulegen und einen reibungslosen Übergang für den Nachfolger und die Patienten zu gewährleisten. 

Der richtige Zeitpunkt

Experten empfehlen, dass sich Praxisinhaber idealerweise bereits zehn Jahre vor dem geplanten Übergabezeitpunkt mit dem Thema auseinandersetzen sollten. Zu diesem Zeitpunkt können noch strukturelle und strategische Optimierungen im Praxismanagement bezüglich des Werterhalts und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Praxis vorgenommen werden, z. B. durch Investitionen. Letztendlich soll sich die Praxis zum Abgabezeitpunkt in einem möglichst guten Licht präsentieren, um einem maximalen Verkaufspreis zu erzielen. Ein sukzessives „Herunterfahren“ der Praxis wirkt sich eher negativ auf den Praxiswert aus und schmälert durch den geringeren Verkaufswert das für den Ruhestand verfügbare Vermögen.

Ausstiegsplan entwickeln

Erfahrene Praxisberater empfehlen, den persönlichen beruflichen Ausstieg frühzeitig vor der Praxisabgabe zu planen. Sofern kein direkter Rückzug aus dem Berufsleben angedacht ist, gibt es verschiedene Modelle, einen fließenden Übergang in den Ruhestand zu schaffen, wie z. B. den Verkauf einer hälftigen Zulassung oder einer Anstellung in Teilzeit. Der Grund für ein solches Modell könnte eine Lücke in der privaten Vorsorge für den Ruhestand sein. Da hierfür die Zustimmung des künftigen Praxisinhabers erforderlich ist, sollte die Suche nach einem geeigneten Nachfolger frühzeitig starten. Eine weitere sinnvolle Option bietet beispielsweise die Einstellung eines Weiterbildungsassistenten oder die Anstellung von teilzeitbeschäftigten Ärzten, die eine Ausweitung ihrer beruflichen Tätigkeit anstreben.

Marktgerechter Preis

Einer der wichtigsten Punkte bei einer Praxis­abgabe bzw. -übernahme ist der Kaufpreis. Bei einer professionellen Praxis­wertschätzung soll überschlägig die Berechnung des Praxiswerts auf der Grundlage vorhandener Daten und deren Zukunftsperspektive erfolgen. Naturgemäß liegen die Vorstellungen über den Kaufpreis zwischen Veräußerer und Erwerber in der Regel deutlich auseinander. Obwohl in der Vergangenheit versucht wurde, die Kaufpreisfindung durch verschiedene Berechnungsmethoden zu objektivieren, sollte sich der Veräußerer bewusst machen, dass sämtliche Bewertungsmethoden lediglich einen rechnerischen Verkaufspreis ermitteln, welcher sich wirtschaftlich am Markt erst realisieren lassen muss. Existiert zum Zeitpunkt der Praxisabgabe ein Käufermarkt (Angebot ist höher als die Nachfrage) oder ein Verkäufermarkt (Nachfrage ist höher als das Angebot)?
 

Folgende Punkte sollten bei der Praxis­bewertung beachtet werden

Finanzielle Analyse

Überprüfen Sie die finanzielle Situation der Praxis, einschließlich Umsatz, Kostenstruktur, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Liquiditätsstatus. 

Immaterielle Werte berücksichtigen

Neben den finanziellen Kennzahlen sollten auch immaterielle Werte (der sogenannte Goodwill), wie die Reputation der Praxis, die Patientenzufriedenheit und die Mitarbeiterbindung, in die Bewertung einbezogen werden.

Bewertungsmethoden

Der Gesamtwert einer Praxis ergibt sich aus dem ideellen Praxiswert plus des ermittelten materiellen Substanzwerts (Sachwert). Es gibt verschiedene Methoden zur Praxis­wertermittlung, die von verschiedenen Faktoren abhängen. Fast alle Wertermittlungsmethoden legen für die Beurteilung des Praxiswerts den Umsatz, die erzielten Gewinne in der Vergangenheit und die perspektivische Entwicklung der Praxis (immaterieller Wert bzw. Goodwill), den Standort, die vorhandenen Sachwerte (Ausstattung) und den Patientenstamm zugrunde.


Gängige Methoden zur Wertermittlung von Arztpraxen 

  • Multiplikationsmethode
  • Ertragswertmethode 
  • Vergleichswertmethode

Wählen Sie bei Ihrer Praxiswertermittlung die Methode, die am besten zu Ihrer Praxis, Branche und Ihren individuellen Gegebenheiten passt. Nachfolgend stellen wir die drei Methoden der Praxiswertermittlung vor:

Multiplikationsmethode

Die Multiplikationsmethode ist eine gängige Methode zur Wertermittlung von Arztpraxen. Bei dieser Methode wird der Wert der Praxis anhand eines bestimmten Multi­plikators des Jahresumsatzes oder Gewinns berechnet. Der Multiplikator wird basierend auf verschiedenen Faktoren wie Branche, Standort, Größe der Praxis, Patientenstamm und Ausstattung festgelegt.

Um den Wert einer Arztpraxis mithilfe der Multiplikationsmethode zu ermitteln, werden in der Regel folgende Schritte durchgeführt: 

  • Bestimmung des Jahresumsatzes oder Gewinns der Praxis.
  • Auswahl eines geeigneten Multiplikators basierend auf vergleichbaren Transaktionen oder Branchenstandards.
  • Multiplikation des Jahresumsatzes oder Gewinns mit dem festgelegten Multiplikator, um den geschätzten Wert der Praxis zu erhalten.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Multiplikationsmethode eine vereinfachte Annäherung an den Wert einer Arztpraxis darstellt und andere Faktoren wie die finanzielle Performance, das Entwicklungspotenzial und die Risiken der Praxis ebenfalls berücksichtigt werden sollten.

Ertragswertmethode

Die Ertragswertmethode ist eine weitere übliche Methode zur Wertermittlung von Praxen. Bei dieser Methode wird der Wert der Praxis anhand des erwarteten zukünftigen Ertrags berechnet. Die Ertragswertmethode berücksichtigt die finanzielle Performance der Praxis, die Entwicklung des Patientenstamms, potenzielle Risiken und das Wachstumspotenzial.

Um den Wert einer Arztpraxis mithilfe der Ertragswertmethode zu ermitteln, werden in der Regel folgende Schritte durchgeführt:

  • Prognose des zukünftigen Ertrags der Praxis, basierend auf historischen Daten, aktuellen Trends und potenziellen Entwicklungen.
  • Bestimmung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes, der das Risiko und die Renditeerwartungen für die Investition in die Praxis widerspiegelt.
  • Berechnung des Barwerts des zukünftigen Ertrags durch Diskontierung (Abzinsung) der prognostizierten Cashflows mit dem Kapitalisierungszinssatz.
  • Addition des Barwerts des zukünftigen Ertrags zum Substanzwert der Praxis (z. B. Immobilien, Ausstattung) zur Ermittlung des Gesamtwerts.

Die Ertragswertmethode bietet eine detailliertere und fundiertere Bewertung einer Praxis im Vergleich zur Multiplikations­methode, da sie die zukünftige Performance und Potenziale der Praxis berücksichtigt.

Vergleichswertmethode

Die Vergleichswertmethode ist eine weitere Methode zur Wertermittlung von Praxen, die auf dem Vergleich mit ähnlichen Transaktionen basiert. Bei dieser Methode werden vergleichbare Verkaufspreise von anderen Praxen herangezogen, um den Wert der zu bewertenden Praxis abzuschätzen. 

Um den Praxiswert mithilfe der Vergleichswertmethode zu ermitteln, werden in der Regel folgende Schritte durchgeführt:

  • Recherche und Analyse von vergleichbaren Transaktionen von Arztpraxen in der Region oder Branche.
  • Identifizierung von Praxen mit ähnlichen Merkmalen wie Größe, Standort, Ausstattung, Patientenstamm und finanzielle Performance.
  • Ermittlung des Verkaufspreises oder Multiplikators, der bei den vergleichbaren Transaktionen angewendet wurde.
  • Anpassung des Verkaufspreises oder Multiplikators basierend auf spezifischen Unterschieden zwischen den verglichenen Praxen, z. B. Standortvorteile, Ausstattung.

Die Vergleichswertmethode bietet eine gute Möglichkeit, den Wert einer Praxis anhand realer Transaktionen und Marktdaten zu bestimmen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass keine zwei Praxen identisch sind und von daher eine genaue Anpassung der Vergleichsdaten erforderlich ist.

Fazit der Bewertungsmethoden

Welche ist nun die beste Methode zur Praxiswertermittlung? Es gibt nicht die „beste“ Methode, da jede Methode ihre eigenen Vor- und Nachteile hat und von verschiedenen Faktoren abhängt. Letztendlich sollte die Wahl der Methode darauf abzielen, einen realistischen und fairen Wert für die Praxis zu ermitteln. Die Entscheidung, welche Methode am besten geeignet ist, hängt von der spezifischen Situation der Praxis, den verfügbaren Daten, dem Zweck der Bewertung und den individuellen Präferenzen ab.

Die Multiplikationsmethode ist eine einfache und schnelle Methode zur Wertermittlung, die auf vergleichbaren Transaktionen basiert. Sie eignet sich gut für Praxen mit stabilen Umsätzen und Gewinnen sowie klaren Vergleichsdaten. 

Die Ertragswertmethode berücksichtigt die zukünftige Performance und Potenziale der Praxis und bietet eine detaillierte Bewertung. Sie eignet sich gut für Praxen mit Wachstumspotenzial und komplexen finanziellen Strukturen. 

Die Vergleichswertmethode basiert auf realen Transaktionen und Marktdaten und bietet eine gute Möglichkeit, den Wert einer Praxis anhand von Vergleichen zu bestimmen. Sie eignet sich gut für Praxen mit ähnlichen Merkmalen wie bereits verkauften Praxen.
In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, mehrere Methoden zur Wertermittlung zu kombinieren oder Expertenrat einzuholen, um eine fundierte und genaue Bewertung zu erhalten.

 

Kostspielige Fehler vermeiden

Die Praxisabgabe ist ein komplexer Prozess, bei dem es gilt, Fehler, die den Praxisinhaber am Ende seiner beruflichen Laufbahn teuer zu stehen kommen können, möglichst zu vermeiden. Deshalb ist es trotz aller Theorie und Methodik der kennzahlenbasierten Analyse und Bewertung der Praxis ratsam, sich bei der Praxiswertermittlung von einem spezialisierten Unternehmensberater oder einem Sachverständigen unterstützen zu lassen. So lässt sich sicherstellen, dass man eine präzise, fundierte und realistische Bewertung erhält. Diese neutrale Institution soll Verkäufer und Käufer helfen, sich vor allem beim immateriellen Praxis­wert und der Bewertung des Inventars preislich zu einigen.

Ein kompetenter Steuerberater kann in Abhängigkeit des Zeitpunkts und der Form der Übergabe auch die passende steuerliche Strategie für den Praxisverkauf erarbeiten. Denn: Fehler im fiskalen Bereich können für den Praxisabgeber zu erheblichen finanziellen Nachteilen führen. 
Es ist sinnvoll, das Angebot für den Praxisverkauf in eine renommierte Praxisbörse im Internet einzustellen, da diese Verkaufsplattformen Angebot und Nachfrage erfolgreich zusammenführen. Der Praxis­abgeber findet hier bundesweit aktuelle Praxisangebote und -gesuche. Dieser transparente Praxis­markt kann zu einer realistischen, d. h. marktgerechten Preisfindung beitragen. 

► Sie können Ihr Praxisangebot kostenlos, unkompliziert und unverbindlich z. B. unter www.med3.net/praxisboerse einstellen

Wir wünschen Ihnen bei der Praxiswertermittlung und bei der sorgfältigen Vorbereitung der Praxis­abgabe viel Erfolg!

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1 Kassenärztliche Bundesvereinigung, 08.12.2023, Pressemitteilung „Mehr als ein Alarmsignal“

Uwe Zoske
med3 – Beratung für Heilberufe
Alexander-Diehl-Straße 12
55130 Mainz
06131-912 56 77
zoske@med3.net
www.med3.net

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