Praxisreinigung und Flächendesinfektion unter Nachhaltigkeits- und Kostenaspekt, Teil 2: Herkömmliche und innovative ­Methoden im Vergleich

Christina Hecker. In diesem zweiten Teil werden herkömmliche Reinigungs- und Desinfektionsverfahren, die auf quartären Ammoniumverbindungen basieren, mit innovativer Reinigung durch Peressigsäure hinsichtlich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit verglichen. Darüber hinaus werden probiotische Reinigungsmethoden im Hinblick auf ihre Wirksamkeit diskutiert.

Zitierweise: HAUT 2024;35(3):117-120.

Faktor Nachhaltigkeit

Bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln sind neben Kriterien wie benötigtes Wirkspektrum, praktikable Einwirkzeit und Materialverträglichkeit potenzielle Risiken für Mensch und Umwelt sowie Wirtschaftlichkeit zu beachten.

Für den Umgang mit Gefahrstoffen besteht ein Minimierungsgebot, sodass der Einsatz von Desinfektionsmitteln immer sachlich begründet und möglichst minimiert sein muss1.

Stellvertretend für eine Vielzahl von verfügbaren Wirkstoffen werden im Folgenden im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Kostenfaktor drei Verfahren miteinander verglichen.

Quartäre Ammoniumverbindungen (QAV)

In Gesundheitseinrichtungen werden Reinigungs- und Desinfektionsverfahren häufig mit quartären Ammoniumverbindungen (QAV) durchgeführt, eine Gruppe von stickstoffhaltigen chemischen Verbindungen, deren Wirkung auf der Zerstörung und Inaktivierung von Mikroorganismen basiert.

QAV, auch als kationische Tenside bekannt, werden aufgrund ihrer desinfizierenden Eigenschaften auch in z. B. der Lebensmittelindustrie und in Haushalten eingesetzt.

QAV können Zellmembranen von Mikroorganismen destabilisieren, was zu deren Inaktivierung führt. Sie wirken gegen Bakterien, Mykobakterien, behüllte und unbehüllte Viren sowie gegen Adeno-, Noro- und Rotaviren.

Allerdings stellen QAV eine Umweltbelastung dar, da sie als Gefahrstoffe im Grundwasser negative Auswirkungen auf aquatische Lebensräume entfalten können. Zudem besteht die Gefahr der Bildung resistenter Mikroorganismen aufgrund der nichtselektiven Wirkung. Eine unsachgemäße Dosierung durch unzureichend geschultes Personal kann zu Umweltbelastungen oder ineffektiven Reinigungsergebnissen führen2.

Peressigsäure (PAA)

Im Vergleich dazu ist Peressigsäure (PAA) eine vielversprechende nachhaltige Alternative. PAA, eine Verbindung aus Wasserstoffperoxid und Essigsäure, zeigt eine breite antimikrobielle Wirkung und kann behüllte Viren einschließlich SARS-CoV-2 effektiv inaktivieren. Nach der Anwendung zerfällt PAA in Wasser und Essigsäure, ohne schädliche Rückstände im Grundwasser zu hinterlassen, was sie zu einer umweltfreundlichen Wahl macht. Die Wahrscheinlichkeit der Bildung resistenter Mikroorganismen ist aufgrund verschiedener Wirkmechanismen gering1,3.

Eine fachgerechte Anwendung schließt Über- oder Unterdosierung nahezu aus. Der mögliche Nachteil – ein eventuell erhöhtes Abfallaufkommen – kann durch adäquate Schulung des Reinigungspersonals vermieden werden. Zu verwendende Einweg-Wischmopps sind nahezu zu 100 % biologisch abbaubar und werden ausschließlich in Zentraleuropa hergestellt, was zur Verkürzung der Lieferkette und somit zur Nachhaltigkeit beiträgt.

In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Krankheitserreger lange Zeit auf unsachgemäß aufbereiteten Textilien wie Wäsche oder Wischmopps überleben können4. Durch Einsatz von Einweg-Materialien lassen sich hingegen Keim­verschleppungen verhindern und Infektionsrisiken senken.

 

Basiswirksamkeit VAH

Viruswirksamkeit, Quelle: Produktfolder

Gefahrstoff

Lösung biologisch abbaubar

Incidin Plus
(Ecolab)

0,5% /1 h

EN 14476, Noro, k.A. EN 14476, Adeno 2% / 120 min

ja

nein

Terralin protect (Schülke & Mayr)

0,5% /1 h

EN 14476, Noro 1% / 120 min EN 14476, Adeno 2%/ 240 min

ja

nein

Microbac forte (Bode/Hartmann)

0,5% /1 h

EN 14476, Noro 1%/ 240 min EN 14476, Adeno 1,5%/ 240 min

ja

nein

DesiMops desimops.de (CleaningBox)

Ready to use

EN 14476, EN 16615 Noro,
1 min EN 14476, Adeno 5 min

nein

ja

Tab. 3: Nachhaltigkeitsfaktor: Gegenüberstellung dreier marktführender Produkte und QAV / PAA.

Alternative: probiotische Verfahren

Die Reinigungswirkung von probiotischen Reinigern basiert auf dem Konzept, dass Subs­tanzen wie Fette, Eiweiße, Kohlenhy­drate oder Harnstoffe, aus denen der Schmutz besteht, Mikroorganismen als Nahrung dienen. Einzelne Studien weisen darauf hin, dass probiotische Reinigungsverfahren auch für Gesundheitseinrichtungen geeignet sein könnten5.

Insgesamt stellt der Einsatz von Probiotika auf Flächen in medizinischen Einrichtungen einen interessanten Ansatz dar, da anstelle nosokomialer pathogener Keime probiotische Bakterien ein langfristig stabiles Mikrobiom bilden6,7, während der Erfolg der Desinfektion nur kurzzeitig anhält. Wirkstoff­abhängig ist darüber hinaus bei Desinfektion eine Resistenzentwicklung mit Kreuzresistenz gegen Antibiotika sowie eine Gefährdung von Mensch und Umwelt möglich8.

Voraussetzung für eine sichere Anwendung ist allerdings die Gewährleistung der mikrobiologischen Produktqualität. Durch Fremdkontaminationen, beispielsweise durch Hautkontakt, sind zudem unkontrollierbare und somit unzureichende Ergebnisse denkbar.

Da sich Viren nicht außerhalb der Wirtszelle vermehren können, werden sie bei der Kontamination von Oberflächen mit pro­biotischen Bakterien durch das Mikrobiom nicht verdrängt. Bei Indikation zur Virus­desinfektion ist demzufolge die chemische Desinfektion unverzichtbar.

Die Effektivität probiotischer Reinigungsverfahren muss allerdings noch gründlicher untersucht werden, ehe allgemeine Empfehlungen für ihren Einsatz in medizinischen Einrichtungen abgeleitet werden können. Ob Flächen durch alleinige Anwendung pro­biotischer Reinigungsmittel hygienisch sauber werden, steht nicht zweifelsfrei fest. Einzelne Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass der Reinigungseffekt durch Zusatz von chemischen Mitteln erzeugt wurde9.

Kostenfaktor

Laut Empfehlung der KRINKO-Kommission dürfen Textilien, die für Reinigungszwecke verwendet werden, in einer herkömmlichen Haushaltswaschmaschine gewaschen und in einem handelsüblichen Wäschetrockner getrocknet werden. Im Gegensatz dazu sollten wiederverwend­bare Wischtextilien für Desinfektionszwecke einem speziellen Desinfektions-Wasch­verfahren unterzogen werden. Die Anschaffung der erforderlichen Ausrüstung sowie die Wartung und Validierung dieser Geräte erweisen sich als kosten- und personal­intensiv.

Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit stellt die hygienisch einwandfreie Reinigung und Desinfektion mit Peressigsäure oft die kostengünstigere Alternative dar. Fallen Rüstzeiten sowie hohe Anschaffungskosten für zertifizierte Waschmaschinen und Trockner zur Aufbereitung der textilen Wischmopps weg, können je nach Praxisgröße bis zu 50 % der Kosten eingespart werden.

Arbeitsgänge

Einmal-Mopps

Mehrweg-Eigendosierung

1. Vorbereitung

bestücken mit Mopps, Eimern, Wischzubehör

Dosierung, Desinfektionslösung

Transport zur Anwendung

0 min

0 min

0 min

2 min

5 min

2 min

2. Anwendung

wischen

Moppwechsel (zwischendurch)

30 min

3 min

30 min

3 min

3. Nachbereitung

entsorgen der Mopps bzw. Restlösung

Reinigung Eimer, Wischzubehör

Transport zur Aufbereitung

2 min

0 min

0 min

2 min

5 min

2 min 

4. Aufbereitung

Waschmaschine beladen + Waschmittel dosieren

Waschvorgang

Waschmaschine entladen

0 min

0 min

0 min

3 min

90 min*

2 min

Trockner beladen

Trockenvorgang

Trockner entladen

0 min

0 min

0 min

3 min

90 min*

2 min

sortieren + stapeln

Desinfektion Waschmaschine + Trockner

0 min

0 min

2 min

3 min

Rücktransport zum Vorbereitungsort

0 min

2 min

Validierung + Dokumentation,
desinfizierendes Waschverfahren nach DIN EN 14065:2016 & RKI & VAH; u. a. Dosierung, Wassermenge, Temperatur & Zeit, Prüfkörper (Bioindikatoren, Biomonitore)

0 min

5 min

*Wird nicht berücksichtigt, da in der Zeit auch andere Tätigkeiten möglich sind.

35 min

intern: 10,94 €

extern: 17,50 €

73 min

intern: 22,50 €

extern: 36,50 €

Tab. 4: Kostenfaktor. Da die Energiepreise seit Erhebung der Daten erheblich angestiegen sind, ist der Unterschied im Kostenfaktor derzeit noch höher anzusetzen. Beispielrechnung: Einweg- versus Mehrwegsystem. Annahmen: Anwendung von 5 Einwegmops, Personalkosten intern: 15 Euro/ h MfA/Reinigungskraft + NK 25 % = 18,75 Euro/ h, Personalkosten extern (Reinigungsfirma): 30 Euro/ h.

Fazit

Nachhaltige Reinigungs- und Desinfektionsverfahren in Gesundheitseinrichtungen sind essenziell, um Umweltauswirkungen zu minimieren. Zwar sind herkömmliche Reinigungsverfahren mit quartären Ammoniumverbindungen effektiv gegen einige Mi­kroorganismen, es gibt aber Einschränkungen hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und der Wirksamkeit gegen behüllte Viren. Peressigsäure ist eine vielversprechende nachhaltige Alternative, da sie eine breite antimikrobielle Wirkung aufweist und da­rüber hinaus weitaus umweltfreundlicher ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erweist sich die Praxisreinigung mit Per­essigsäure oft als kosteneffizientere Lösung.

Probiotische Verfahren können im privaten Bereich interessant sein, sind jedoch in Gesundheitseinrichtungen aufgrund fehlender Studienergebnisse zur Wirksamkeit noch nicht empfehlenswert. 

Literatur

1. Bundesgesundheitsbl 2022;65:1074-1115. doi.org/10.1007/s00103-022-03576-1 ; © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022.
2. Arnold WA, Blum A, Branyan J et al. Quaternary Ammonium Compounds: A Chemical Class of Emerging Concern. Environ Sci Technol. 2023 May 23;57(20):7645-7665. doi:10.1021/acs.est.2c08244 . Epub 2023 May 8. PMID: 37157132; PMCID: PMC10210541.
3. vah-online.de/files/download/vah-mitteilungen/HM_2016_05.pdf ;(Zugriff zuletzt am 30.11.23).
4. Shiomori T, Miyamoto H, Makishima K et al. Evaluation of bedmaking-related airborne and surface methicillin-resistant Staphylococcus aureus contamination. J Hosp Infect. 2002 Jan;50(1):30-5. doi: 10.1053/jhin.2001 .1136 . PMID: 11825049.
5. Leistner R, Kohlmorgen B, Brodzinski A et al. Umweltreinigung zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen auf nicht-intensiven Pflegeeinheiten: ein pragmatischer, ein Mitte-, Cluster-Random-Kontrolle, Crossover-Studie, die Seifenbasis vergleicht, Desinfektion und probiotische Reinigung. Ektlinige Medizin 2023; Apr 6;(59):101958. doi: 10.1016/j.eclinm.2023.101958 . PMID: 37089619; PMCID: PMC10113752.
6. D’Accolti M, Soffritti I, Bini F et al. Pathogen Control in the Built Environment: A Probiotic-Based System as a Remedy for the Spread of Antibiotic Resistance. Microorganisms 2022;10(2). doi.org/10.3390/microorganisms10020225; (Zugriff zuletzt am 30.11.23).
7. Klassert TE, Zubiria-Barrera C, Neubert R et al. Comparative analysis of surface sanitization protocols on the bacterial community structures in the hospital environment. Clin Microbiol Infect. 2022 doi.org/10.1016/j.cmi.2022.02.032; (Zugriff zuletzt am 30.11.23).
8. D’Accolti M, Soffritti I, Mazzacane S et al. Fighting AMR in the Healthcare Environ-ment: Microbiome-Based Sanitation Approaches and Monitoring Tools. Int J Mol Sci 2019;20(7). https://doi.org/10.3390/ijms20071535 ; (Zugriff zuletzt am 30.11.23).
9. www.stmelf.bayern.de/bildung/hauswirtschaft/reinigen-mit-probiotischen-reinigungsmitteln/index.html ; (Zugriff zuletzt am 30.11.23).

Korrespondenzadresse

Dr. med. Christina Hecker
Ärztin für Dermatologie, Allergologie
3. Vorsitzende AG Nachhaltigkeit in der Dermatologie (AGN) e.V.
Waidmarkt 3, 50676 Köln
E-Mail: christina.hecker(ett)heckers-koeln.de
www.agderma.de 

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