Neu entwickelte XAI soll Hautkrebs-­Früherkennung verbessern

Wie künstliche Intelligenz (KI) Dermatologen bei der Diagnostik von Hauttumoren noch besser unterstützen kann, wurde am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg untersucht. Priv.-Doz. Dr. Titus Brinker entwickelte mit seinem Team ein KI-gestütztes professionelles Assistenzsystem. Jetzt startet der Zertifizierungs­prozess für die Anwendung der qualitativ hochwertigen Hautscreening-Software sKIn, die in die Dermatoskope direkt verbaut wird und somit auch im Hautkrebsscreening eingesetzt werden kann. Mithilfe von XAI (= explainable artificial intelligence) soll die verbesserte Vorsorge dazu beitragen, Hautkrebs möglichst frühzeitig zu erkennen.

Zitierweise: HAUT 2024;35(3):102.

Als Experte der digitalen Hautkrebsprävention und -diagnostik entwickelt Dr. Titus Brinker schon seit Jahren unterschiedliche Apps. „Sunface“, mehr als eine Million Mal genutzt, konfrontiert die User mit den drastischen Folgen ungeschützter Sonnenstrahlung, indem sie wie in einem Zeitraffer Portraitbilder ihres beschleunigten Alterungsprozesses anschauen. Mit „AppDoc“, seit 2018 im Einsatz, können Fachärzte mithilfe hochgeladener Fotos auffällige Hautveränderungen checken. Die App wurde von Stiftung Warentest zuletzt als einzige von 17 verfügbaren Hautscreening-Apps empfohlen und als Testsieger gekührt. Auch wenn eine Ferndiagnose letztlich kein Ersatz für den Hautarztbesuch ist, kann sie dazu beitragen, dringliche Untersuchungen zu veranlassen.

Für Mediziner nachvollziehbar

Obgleich inzwischen bekannt ist, dass mit Unterstützung von KI Hautkrebs besser erkannt werden kann, misstrauen viele Dermatologen den Algorithmen. „Die letztendliche Verantwortung für eine Diagnose liegt beim Kliniker. Deshalb sind Dermatologen berechtigterweise vorsichtig, KI-basierte Systeme einzusetzen, ohne deren Entscheidungen nachvollziehen zu können“, so Titus Brinker. Genau das war der Ansatzpunkt für die neu entwickelte App „sKIn“. Indem das KI-basierte Unterstützungssystem etablierte Diagnose-Merkmale verwendet, die sich auf bestimmte Bereiche der verdächtigen Hautveränderung beziehen, sind die Ergebnisse für Mediziner nachvollziehbar. Damit wächst ihr Vertrauen in die Entscheidungen der Maschine und auch in ihre eigenen Di­agnosen.

Gerade beim Melanom, immer noch weltweit für die meisten hautkrebsbedingten Todesfälle verantwortlich und im Frühstadium nur schwer von anderen Hauttumoren zu unterscheiden, kann die neu entwickelte KI (XAI = explainable artificial intelligence) Hautärzte bei der Diagnostik unterstützen. „Das von uns entwickelte Unterstützungssystem ist auf die Sichtweise von Dermatologen bei der Melanomdiagnose abgestimmt und erklärt seine Entscheidungsfindung“, so Titus Brinker, Leiter der dreiphasigen Studie am Deutschen Krebsforschungszentrum, in denen Auswirkungen der XAI auf diagnostische Genauigkeit und Sicherheit sowie auf das Vertrauen der Hautärzte in das erklärende System untersucht wurden. Über hundert Dermatologen aus 33 verschiedenen Ländern waren beteiligt und diagnostizierten dreimal ein Testpanel digitalisierter Aufnahmen: auf Basis ihrer Erfahrung, mit Unterstützung eines herkömmlichen KI-Systems und mit der XAI. Wie in früheren Studien steigerte die Nutzung des KI-Systems die diagnostische Genauigkeit bei der Melanom-Erkennung. Gleichzeitig verbesserte sich das Vertrauen der Hautärzte in die eigene Entscheidung. Beim Einsatz des XAI-Systems, das nachvollziehbare dermatologische Erklärungen liefert, stieg es noch einmal deutlich an: „Besonderes Zutrauen zur eigenen Diagnose hatten die Mediziner dann, wenn ihre Entscheidungskriterien mit den von der XAI aufgeführten Kriterien weitgehend übereinstimmten“, resümiert Studienleiter Brinker.

Originalpublikation 

Die KI-Software, die beim Hautscreening einsetzbar ist, befindet sich jetzt im Zulassungsverfahren nach EU-Medizinprodukteverordnung. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht: Chanda T, Hauser K, Hobelsberger S et al. Dermatologist-like explainable AI enhances trust and confidence in diagnosing melanoma. Nat Commun 2024;15:524, einsehbar unter https://www.nature.com/articles/s41467-023-43095-4 . 

Hintergrund

Hautkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate – trotz der immensen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren auf jährlich rund 300.000 verdoppelt. Dafür werden UV-bedingte Hautschäden aufgrund intensiver Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend mitverantwortlich gemacht. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom, gefolgt vom kutanen Plattenepithelkarzinom und dem malignen Melanom.

Die ADO (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der Deutschen Krebs­gesellschaft (DKG) und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)) organisiert Fortbildungen, Forschungsprojekte und klinische Studien, um die Qualität der dermato-onkologischen Patientenversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verbessern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Ein wichtiger Fokus liegt auf der Erarbeitung diagnostischer und therapeutischer Leitlinien zu verschiedenen Hautkrebsarten, wie zum malignen Melanom, Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom, Kaposi-Sarkom und zu kutanen Lymphomen. Information: https://www.ado-homepage.de/ . 

Die Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs (NVKH) e.V. hat als deutschlandweiter Zusammenschluss von Dermatologen, Patientenorganisationen und Entscheidungsträgern des Gesundheitswesens das Ziel, Prävention, Früherkennung, Versorgung und die Patientenorientierung im Bereich Hautkrebs zu stärken und zu verbessern. Dieses aktive Netzwerk kämpft mit aufeinander abgestimmten Projekten gemeinsam gegen den Hautkrebs. Information: https://nvkh.de/ . 

Kongress

34. Deutscher Hautkrebskongress,  Würzburg, 25. – 28.9.2024,  Information: www.ado-kongress.de 

Quelle: Kerstin Aldenhoff, Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH.

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