Fragen und Antworten in Rechtsbelangen

Darf der Geschäftsführer eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) die Sammelerklärungen zur Abrechnung unterzeichnen oder muss dies der ärztliche Leiter des MVZs tun? Diese und weitere Ihrer Fragen beantwortet Rechtsanwalt Sven Rothfuß.

Abrechnung im MVZ 

Herr Dr. L. aus Düsseldorf

Ich bin Geschäftsführer einer GmbH, die ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) betreibt. Vor einigen Tagen wurde uns ein Bescheid zugestellt, mit dem die Honorarbescheide für die letzten Quartale aufgehoben und die Honorare vollständig zurückgefordert wurden. Grund für die Rückforderung war, dass die Sammel­erklärungen zur Abrechnung nicht von der ärztlichen Leiterin, sondern von mir als Geschäftsführer unterzeichnet wurden. Ich bin davon ausgegangen, dass ich als Geschäftsführer, der die Gesellschaft nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbH-Gesetz gerichtlich und außergerichtlich vertritt, auch die Abrechnung unterzeichnen darf. Kann es denn sein, dass die gesamten Honorare wegen einer solchen „Förmelei“ zurückgefordert werden? Schließlich wurde nie bestritten, dass alle abgerechneten Leistungen auch ordnungsgemäß erbracht wurden. 

Herr Rothfuß:

„Nach einer aktuellen Entscheidung (Az. B 6 KA 15/22 R – Urteil bisher nicht veröffentlicht) des Bundessozialgerichts (BSG) besteht bei Abgabe einer Sammelerklärung für ein MVZ, die nicht der ärztliche Leiter unterschrieben hat, kein Anspruch auf Honorar, wenn der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vorsieht, dass die Sammelerklärung von Honorarabrechnungen eines MVZ von dessen ärztlichem Leiter zu unterzeichnen sind. Es handele sich auch nicht um ein bloßes Formerfordernis. Der ärztliche Leiter trage die Gesamtverantwortung gegenüber der KV und verfüge, anders als der Geschäftsführer, auch über die medizinische Fachkompetenz, um beurteilen zu können, ob die von den Ärzten angegebenen Behandlungen korrekt abgerechnet wurden.

Sofern der HVM vorsieht, dass die Abrechnung eines MVZ von dem ärztlichen Leiter zu unterzeichnen ist, ist dies auch Voraussetzung für den Honoraranspruch. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann nach Ansicht des BSG das Honorar auch komplett zurückgefordert werden.“

Zulassungsmitnahme bei Ausscheiden eines Gesellschafters  

Frau Dr. F. aus Saarbrücken

Wir sind eine Gemeinschaftspraxis mit vier kassenärztlichen Zulassungen. Nach zwanzig Jahren der Zusammenarbeit möchte eine Gesellschafterin uns nun verlassen. Im Gesellschaftsvertrag steht, dass der Kassensitz, den sie bei Eintritt in unsere Praxis von einem ausgeschiedenen Gesellschafter unserer Praxis übernommen hat, auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters bei uns verbleibt. Dafür erhält der Ausscheidende einen monatlichen Abschlag i. H. v. 10.000 € sowie eine Abfindung. Außerdem haben wir kein Wettbewerbsverbot vereinbart. Nun weigert sich die ausscheidende Gesellschafterin an der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens mitzuwirken und hat stattdessen einen Antrag auf Sitzverlegung in eine Einzelpraxis gestellt. Müssen wir das hinnehmen?

Herr Rothfuß:

„Ob Klauseln, nach denen ein kassenärztlicher Sitz in der Gemeinschaftspraxis verbleibt, wirksam sind, hängt von der genauen Vereinbarung im Einzelfall ab. Nach einem Beschluss des Landgerichts (LG) Kaiserslautern vom 25.11.2023 (Az. 2 O 712/22) war jüngst eine ähnliche Vereinbarung als wirksam anzusehen. Obwohl die Ärztin nach fast zwanzig Jahren der Zusammenarbeit ausschied, überwog ihr Interesse an der Mitnahme des Vertragsarztsitzes in dem dort entschiedenen Fall nicht. Das LG sah das Interesse der ausscheidenden Ärztin bereits als ausreichend berücksichtigt an, da kein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach dem Ausscheiden vereinbart worden war und sie eine Abfindung sowie Abschlagszahlungen erhielt. Das Gericht verfügte, dass die Ärztin keinen Antrag auf Verlegung des Sitzes stellen dürfe bzw. einen entsprechenden Antrag zurückzunehmen habe.

Ob dies in Ihrem Fall auch so zu beurteilen ist, kann ich abschließend nicht bewerten. Es gibt aber Anhaltspunkte dafür, dass Ihr Fall ebenso beurteilt werden kann, wie es das LG Kaiserslautern getan hat.“

Sven Rothfuß
Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Oberländer Ufer 174,
50968 Köln
(0221) 34066960
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung