Das E-Rezept ist da – was für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu beachten ist

Infolge des sogenannten „Digital-Gesetzes“ (Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheits­wesens, DigiG) sind Ärztinnen und Ärzte, die selbst oder in entsprechenden Einrichtungen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, seit dem Beginn des Jahres 2024 zur elektronischen Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel verpflichtet. Das E-Rezept wird damit in der Arzneimittelversorgung zum verbindlichen Standard. Dieser Beitrag versorgt Sie mit allen hierzu wesentlichen Informationen.

Perspektivisch soll das E-Rezept das bisherige Rezept aus Papier vollständig ersetzen: Ein Rezept-Ausdruck soll nicht mehr notwendig sein. Die digitale Verordnung soll auf dem E-Rezept-Fachdienst­server innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) liegen; nur Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sollen sie dort abrufen und bearbeiten können. Patientinnen und Patienten sollen das Rezept auf dem Smartphone ansehen und es per App nicht nur einlösen, sondern auch löschen können. 
Die gesetzlichen Vorgaben zur Umsetzung dieses Szenarios beziehen sich aber zunächst ausschließlich auf bisher über das „Muster 16“ verordnete verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Sie gelten auch für Rezepturen und Blutprodukte, die ausschließlich in Apotheken abgegeben werden können. 

Stotter-Start und positive Entwicklung

Die Pflicht für Vertragsärztinnen und -ärzte zur digitalen Verordnung besteht eigentlich bereits seit Anfang 2022. Dennoch hat sich die bundesweite Einführung elektronischer Rezepte seither mehrfach verzögert. Im Januar 2023 wurde die Marke einer Million solcher in Apotheken eingereichter Verordnungen überschritten. Bis zum Ende desselben Jahres sind mehr als sieben Millionen E-Rezepte eingelöst worden. 

Für andere Verordnungen, etwa von Heil- und Hilfsmitteln oder Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), steht das E-Rezept noch nicht zur Verfügung. Die Ausstellung elektronischer Verordnungen für Selbstzahlerinnen und Selbstzahler ist grundsätzlich technisch möglich, aber keine Pflicht. Ob Kinderrezepte, blaue und grüne Rezepte sowie für OTC-Präparate „freiwillig“ digital ausgefertigt werden können, ist auch vom genutzten Praxisverwaltungssystem (PVS) abhängig. 

Folgende Verordnungen sind auch 2024 weiterhin auf Papier vorzunehmen:
 
  • Betäubungsmittel (BtM)-Rezepte
  • T-Rezepte
  • Verordnungen sonstiger nach § 31 SGB V einbezogener Produkte 
  • (etwa Verbandmittel und Teststreifen)
  • Verordnungen von Hilfsmitteln
  • Verordnungen von Sprechstundenbedarf
  • Verordnungen von Blutprodukten, die von pharmazeutischen Unternehmen oder Großhändlern gemäß § 47 Arzneimittelgesetz (AMG) direkt an Ärztinnen und Ärzte abgegeben werden
  • Verordnungen Digitaler Gesundheitsanwendungen (z. B. Apps)
  • Enterale Ernährung
  • Verordnungen zulasten sonstiger Kostenträger (z. B. Sozialhilfe, Bundeswehr, 
  • Bundespolizei)
  • Verordnungen für im Ausland Versicherte
 

 

In Notfällen – etwa bei technischen Störungen oder Defekten – ist Ärztinnen und Ärzten der Rückgriff auf das Papierformular (Muster 16) gestattet. Das gilt ebenso für Hausbesuche, wenn keine Anbindung an die TI besteht, oder für Fälle, in denen die Versichertennummer nicht bekannt ist.

Technische Ausstattung: Was wird benötigt?

Die digitale Verordnung erfolgt über die Praxissoftware mit elektronischer Signatur. Das Ausstellen elektronischer Rezepte setzt die Anbindung an die TI mit einem Konnektor ab Version PTV4+ voraus. Alle Hersteller bieten entsprechende Software-Updates an. Auch das PVS muss E-Rezept-tauglich sein – oder durch ein Update E-Rezept-tauglich gemacht werden. Die Installation oder Freischaltung des entsprechenden Moduls übernimmt der Verordnungssoftware-Anbieter.

Das elektronische Rezept muss – ebenso wie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder elektronische Arztbriefe – mit einer sogenannten qualifizierten elektronischen Signatur (QES) „unterschrieben“ werden. Daher benötigt jede Ärztin bzw. jeder Arzt für die Erstellung einen eigenen aktivierten elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) der zweiten Generation mit persönlicher Signatur-PIN. Nur der bei der zuständigen Landesärztekammer erhältliche eHBA ermöglicht die rechtssichere digitale ärztliche „Unterzeichnung“ in Form einer Einzel-, Stapel- oder Komfortsignatur. 

Um in Einzelfällen auf Wunsch Rezeptausdrucke im Format DIN-A4 oder DIN-A5 für Patientinnen und Patienten vorzunehmen, die in der Apotheke problemfrei eingelesen werden können, wird ein Laser- oder Tintenstrahldrucker mit einer Mindestauflösung von 300 dpi benötigt. Die Ausdrucke sind ohne zusätzliche handschriftliche Unterzeichnung der bzw. des Ausstellenden gültig.

Mehrfachverordnung möglich
Ärztinnen und Ärzte können chronisch Kranken im Rahmen der Dauermedikation – im Einzelfall und unter Wahrung der ärztlichen Sorgfaltspflicht – bis zu vier E-Rezepte gleichzeitig ausstellen, welche die Patientinnen und Patienten nacheinander (auch in unterschiedlichen Apotheken) einlösen können. Ein entsprechender Anspruch der Patientinnen und Patienten besteht jedoch nicht. Praxen sollten Mehrfachverordnungen dokumentieren, um im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung argumentieren zu können.

 

So läuft die Einlösung

Patientinnen und Patienten können E-Rezepte mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK), über die E-Rezept-App der Gesellschaft für Telematik (gematik) oder – ausnahmsweise – auch mittels eines Ausdrucks der Zugangsdaten zum E-Rezept in der Apotheke einlösen. Die eGK, die App oder der ausgedruckte Rezeptcode dienen der Apotheke als Schlüssel, um auf die gespeicherte digitale Verordnung zugreifen zu können. Für die Einlösung des Rezepts mit der eGK benötigen Versicherte keine persönliche Geheimzahl.

Die E-Rezept-App

Nutzen Patientinnen und Patienten die E-Rezept-App, erhalten sie für jedes verordnete Medikament einen Rezeptcode direkt auf das Smartphone. Mit diesem Code kann die Apotheke auf die Verordnung zugreifen. Um die Anwendung nutzen zu können, benötigen Versicherte eine eGK mit Kontaktlosfunktion (NFC-Funktion) und eine PIN von ihrer Krankenkasse. Der Anmeldeprozess hat sich in der Vergangenheit als kompliziert erwiesen, weswegen die App bislang trotz millionenfacher E-Rezept-Einlösungen kaum zum Einsatz kam. Allerdings bietet die Anwendung praktische Zusatzservices: Mit ihr können Versicherte das Arzneimittel online in der Apotheke zur Abholung bestellen. Zudem ist es möglich, die E-Rezepte von Familienmitgliedern (etwa Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen) über die App zu erhalten und damit einzulösen.
Versicherte, die ihr E-Rezept in einer Internet-Apotheke einlösen möchten, werden auf deren Webseite eine entsprechende Anleitung dazu finden. Auch hierfür wird der Rezeptcode benötigt. Patientinnen und Patienten, die sich für den Rezeptausdruck entscheiden, zeigen diesen wie bisher in der Apotheke vor.

Zur Gültigkeit der elektronischen Verordnung

Solange eine elektronische Verordnung noch nicht in der Apotheke abgerufen wurde, kann die ausstellende Ärztin bzw. der ausstellende Arzt sie im PVS stornieren, und auch die oder der Versicherte kann das Rezept in der App jederzeit selbständig löschen. Die bzw. der Ausstellende kann ein E-Rezept zunächst sperren und festlegen, dass es erst von einem bestimmten Zeitpunkt an eingelöst werden kann. Ebenso kann bestimmt werden, bis wann die Verordnung spätestens eingelöst werden muss. Einhundert Tage nach der Einlösung soll eine automatische Löschung des E-Rezepts vom Fachdienstserver erfolgen. Wird eine Verordnung nicht eingelöst, wird sie zehn Tage nach Ablauf der Rezeptgültigkeit ebenfalls automatisch gelöscht. 

Abläufe und Verantwortlichkeit in den Praxen

Medizinische Fachangestellte (MFA) können E-Rezepte in der Praxis vorbereiten. Entscheidend ist, dass die oder der Verordnende sie nach der Prüfung persönlich elektronisch signiert. Ärztinnen und Ärzten, die viele Rezepte ausstellen, empfiehlt sich die Nutzung der Komfortsignatur: Nach einmaliger Eingabe der Signatur-PIN des eHBA kann eine Behandlerin oder ein Behandler damit binnen 24 Stunden bis zu 250 Dokumente ohne neue PIN-Eingabe unterschreiben. Dafür wird der eHBA dauerhaft in einem Kartenlesegerät belassen, das in einem geschützten Bereich der Praxis stehen sollte. Pro Lesegerät können zwei eHBA gleichzeitig stecken.

Hilfreich: Die Komfortsignatur
Wird die Funktion der Komfortsignatur genutzt, muss nicht in jedem Sprechzimmer ein Kartenlesegerät stehen. Verordnende können – bei entsprechender Vorbereitung der Praxissoftware (personalisierte Zugänge) – von allen Praxis-Rechnern aus E-Rezepte signieren. Nach der Auslösung der elektronischen Unterschrift wird die digitale Verordnung unmittelbar (und nicht wie bei der Stapelsignatur gesammelt zu einem bestimmten Zeitpunkt – etwa abends) an den E-Rezept-Server übertragen.

 

Wie bei allen Verordnungen muss klar sein, wer das E-Rezept ausgestellt und unterschrieben hat. Die verordnende und die signierende Person müssen identisch sein.

Weiterbildung und Vertretungsfälle

Auch von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) genehmigte Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sind zur Ausstellung elektronischer Rezepte berechtigt. Die Praxis der bzw. des Weiterbildenden hat die digitale Verordnung der Assistentin bzw. des Assistenten ordnungs­gemäß anzuleiten und zu beaufsichtigen. Da es sich um eine Leistung der Ärztin bzw. des Arztes mit Weiterbildungsbefugnis handelt, muss deren bzw. dessen LANR (lebenslange Arztnummer) im E-Rezept enthalten sein; die Verantwortung für die Verordnung liegt letztlich bei der oder dem Weiterbildenden.

Vertretungsfall in der eigenen Praxis

Wer eine fachgleiche Kollegin oder einen fachgleichen Kollegen in der eigenen Praxis vertritt, verwendet für die Abrechnung wie gewohnt die eigene LANR und Betriebsstättennummer (BSNR). Auch bei der elektronischen Verordnung spielt diese kollegiale Vertretung keine Rolle: Die bzw. der Vertretende behandelt die Versicherten als eigene Patientinnen und Patienten. Es muss in der Verordnung nicht vermerkt werden, dass es sich um einen Vertretungsfall handelt. 

Persönliche Vertretung in der Praxis des Kollegen

Erfolgt dagegen die Vertretung als persönliche Vertretung in der Praxis der oder des Vertretenen, etwa als Sicherstellungsassistentin oder -assistent im Falle von Kindererziehungszeiten, gibt die oder der Vertretende bei der Ausstellung eines digitalen Rezepts den Namen und die BSNR der Praxis an, in welcher die Vertretung stattfindet. Zusätzlich ist in der Verordnung die LANR der bzw. des Vertretenen zu vermerken, in dessen Auftrag und Verantwortung gehandelt und abgerechnet wird. In beiden Fällen erfolgt die Signatur anhand des eHBA der oder des Vertretenden.

Vorteile des digitalen Rezepts

Die Einführung der elektronischen Verordnung bringt in der Praxis vor allem Zeitersparnis und Arbeitsentlastung (insbesondere für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Empfang) mit sich. Die Ausstellung eines E-Rezepts ist – sofern aus medizinischer Sicht vertretbar – auch ohne persönlichen Patientenkontakt möglich. Mehrfachverordnungen machen weniger Arztbesuche notwendig.

Patientinnen und Patienten können das Rezept bereits Sekunden nach der Verordnung in der App sehen, innerhalb derselben Anwendung die gewünschte Apotheke aussuchen und den Zugangscode dorthin schicken. So ist das Medikament verfügbar, wenn es abgeholt werden soll. 

Ist ein Rezept fehlerhaft, kann sich die Apotheke an die ausstellende Praxis wenden, die das Rezept notfalls löschen und unmittelbar ein neues ausstellen kann.

Im Sinne der Arzneimitteltherapiesicherheit sollen E-Rezept-Daten künftig (mit dem Einverständnis der oder des Betroffenen) in den Medikationsplan der elektronischen Patientenakte (ePA) überführt werden. So soll Behandelnden eine verlässliche Übersicht über die Gesamtmedikation ihrer Patientinnen und Patienten sowie mögliche Wechselwirkungen ermöglicht werden. 

Abrechnungshinweise

Ärztinnen und Ärzte, die ein E-Rezept (als Einzel- oder Mehrfachverordnung) im Rahmen eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts in der Praxis oder in einer Videosprechstunde ausstellen, rechnen die Versicherten- oder Grundpauschale ab. Bei der digitalen Verordnung ohne persönlichen Kontakt können Praxen im betreffenden Quartal den Verwaltungskomplex mit der GOP 01430 EBM geltend machen.

Auch im Rahmen einer telefonischen Beratung zu einer Erkrankung ist die Ausstellung eines E-Rezepts möglich, wenn die Kontaktaufnahme von der Patientin oder dem Patienten ausging. Die Praxis rechnet in diesem Fall für die Beratung die Haus-/Fachärztliche Bereitschaftspauschale nach der GOP 01435 EBM ab.

 

Nachweispflicht und Sanktionen

An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringerinnen und -erbringer müssen nun die Möglichkeit zur Ausstellung und Übermittlung elektronischer Verordnungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel gegenüber der zuständigen KV nachweisen können. Gelingt dieser Nachweis nicht, droht eine pauschale Kürzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen um ein Prozent. Im Übrigen ist die volle Auszahlung der monatlichen Pauschalen für den Betrieb der TI auch an die Umsetzung der Vorgaben zum E-Rezept gekoppelt. Praxen, die nachweisbar keine Verordnungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel ausstellen, sind von der Nachweispflicht befreit.
Dass eine Praxis sich trotz nachgewiesener technischer Möglichkeiten zur elektronischen Verordnung dagegen entscheidet, Rezepte digital auszustellen, ist genau genommen sozialrechtlich nicht sanktioniert. Allerdings handelt es sich bei der Vorgabe der E-Rezept-Ausstellung auch um eine vertragsärztliche Pflicht, deren Verletzung disziplinarische Konsequenzen haben kann.

Praxistipps und Hinweise

Praxen ist es weiterhin verboten, Verordnungen direkt an eine Apotheke zu senden – selbst, wenn die oder der Versicherte dies wünscht oder dafür ein sicherer Übertragungsweg wie der Dienst KIM (Kommunikation im Medizinwesen) genutzt wird. Lediglich für Verordnungen von Zytostatika-Zubereitungen gilt hier eine Ausnahme.
Neben der gematik haben auch die Krankenkassen die Möglichkeit, ihren Versicherten eine Anwendung für den Zugriff, die Verwaltung und die Einlösung ihrer Rezepte zur Verfügung zu stellen. Geplant ist zudem, die E-Rezept-App-Funktionen in die App der Kassen für die ePA zu integrieren. Allerdings sollen Patientinnen und Patienten die Möglichkeit haben, der automatischen Übermittlung der Medikationsinformationen aus dem E-Rezept-Fachdienst in die ePA zu widersprechen.

Bei der Umsetzung der gesetzlichen Digitalisierungsvorgaben empfiehlt sich, nach Möglichkeit das gesamte Praxisteam einzubinden. Jede(r) Mitarbeitende sollte sich mit den Abläufen der digitalen Verordnung auskennen. Soweit dies nicht schon geschehen ist, sollten Praxen ein sinnvolles Berechtigungsmanagement im Zusammenhang mit der digitalen Signatur etablieren. 

Zur Realisierung der E-Rezept-Prozesse in verschiedenen PVS bietet die gematik aufgezeichnete Schulungsvideos an (www.gematik.de/anwendungen/e-rezept/praxen).
Um das E-Rezept und seine Einlösemöglichkeiten bei den Patientinnen und Patienten bekannter zu machen, stellt die Kassenärztliche Bundes­vereinigung ein Infoblatt unter 
www.kbv.de/media/sp/Patienteninformation_eRezept_eGK.pdf zur Verfügung.

 

Tim Hesse
Rechtsanwalt,
Zertifizierter Datenschutzbeauftragter
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10, 48159 Münster 
und
Freie-Vogel-Str. 367, 44269 Dortmund
0251 2707 6880
t.hesse@kanzlei-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

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