Positivliste mit unbedenklichen chirurgischen Tätigkeiten für schwangere Ärztinnen

Die neue Positivliste der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) benennt über 40 chirurgische Tätigkeiten für schwangere Ärztinnen.

Die in der Positivliste aufgeführten chirurgischen Tätigkeiten dürfen unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen von schwangeren Ärztinnen durchgeführt werden. Die Operationen sind mit dem Mutterschutzgesetz vereinbar. Damit setzt die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft ihren Kurs fort, sich für die Weiterbildung und Karriere junger Chirurginnen einzusetzen.

„Die Positivliste ist ein großer Erfolg für schwangere Ärztinnen in Weiterbildung und im Verlauf ihrer beruflichen Karriere. Denn die Frauen erhalten häufig pauschal ein betriebliches Beschäftigungsverbot, weil die vorhandenen Möglichkeiten in der Klinik nicht ausgeschöpft werden oder Unsicherheit besteht“, sagt DGOU-Präsident Prof. Andreas Seekamp.

Eine Lücke schließen

Die Positivliste kann schwangeren Ärztinnen sowie Beteiligten wie Personalrat, Chefarzt, Arbeitsschutzbeauftragte etc. als Entscheidungshilfe dienen. Sie orientiert sich an den Vorgaben der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung. Die möglichen Tätigkeiten umfassen das unfallchirurgische und das orthopädische Spektrum wie arthroskopische Eingriffe, Weichteiloperationen und Endoprothetik.

„Wir schließen damit eine Lücke, nicht nur bei der Weiterbildung schwangerer Ärztinnen. Auch andere Fachgesellschaften haben Positivlisten veröffentlicht und somit ebnen wir gemeinsam den Weg für eine Weiterbeschäftigung in der Schwangerschaft. In Zeiten von Fachkräftemangel kann damit das Potenzial der gut ausgebildeten Ärztinnen genutzt werden“, sagt Dr. Maya Niethard, Gründerin und Projektleiterin der Initiative OPidS.

Dabei wird die ganze Bandbreite des Fachs berücksichtigt bis hin zur Tumororthopädie, plastischen Eingriffen und der Handchirurgie. Die Liste kann in den einzelnen Abteilungen auf das konkrete Eingriffsspektrum angepasst werden.

Wichtig ist dabei, dass die gesetzlichen Vorgaben vor allem hinsichtlich Infektionen und Narkoseverfahren eingehalten werden. Auch der Umgang mit Röntgenstrahlung muss beispielsweise beim Durchführen von Osteosynthesen durch die Schwangere im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung geklärt werden.

Beschäftigungsverbot ist ein Nachteil

Schwanger sein und operieren war jahrzehntelang ein Tabu für Chirurginnen. Umfragen zeigen jedoch, dass mehr als drei Viertel der schwangeren Ärztinnen in den chirurgischen Fächern in der Schwangerschaft weiter arbeiten möchten.1

Das oft verhängte Beschäftigungsverbot stellt vor allem in der Weiterbildungszeit einen erheblichen Nachteil im Vergleich zu den Kollegen dar, denn diese verlängert sich erheblich, auch werden Karrierestufen später erreicht. Das hat weitreichende sozioökonomische Konsequenzen. Aufgabe der Kliniken ist es somit, pauschale Beschäftigungsverbote weitgehend zu vermeiden und gleichzeitig für notwendige Vertretung zu sorgen in Bereichen, die für eine Schwangere nicht angeraten sind, wie zum Beispiel Nachtschichten.

„Wir bemühen uns in unserer Klinik um familienfreundliche Arbeitsbedingungen und denken über eine zusätzliche Stelle für eine regelhafte Schwangerschaftsvertretung nach. Gelebte Familienfreundlichkeit fängt mit dem Beginn der Schwangerschaft an“, sagt Seekamp.

Bisher Weiterbeschäftigung stiefmütterlich behandelt

Das Mutterschutzgesetz wurde 2018 novelliert und erlaubt seitdem ausdrücklich die Fortführung der beruflichen Tätigkeit in der Schwangerschaft. Es soll damit einer Diskriminierung schwangerer Frauen entgegenwirkt werden.

Grundvoraussetzung für die Weiterbeschäftigung ist die Erstellung einer individuellen Gefährdungsbeurteilung, in der mögliche Gefahren im Arbeitsalltag identifiziert und ausreichende Schutzmaßnahmen definiert werden. Erst als Ultima Ratio listet das Mutterschutzgesetz das betriebliche Beschäftigungsverbot.

Die Realität sieht allerdings oft anders aus – die Erteilung des betrieblichen Beschäftigungsverbots scheint nicht selten einfacher zu sein als Strukturen anpassen zu müssen. Dazu kommt, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oftmals unsicher sind, was erlaubt ist und was nicht. Die Sorge, juristisch etwas falsch zu machen, ist groß. Denn es fehlen einheitliche Gefährdungsbeurteilungen.

„Zudem müssen sich Ärztinnen meist selbst mit viel Aufwand um Nachweise, Termine und Unterlagen kümmern. Oftmals bleibt es ungewiss, ob nicht dennoch ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird“, sagt Niethard.

„Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS)

Die Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) wurde im Jahr 2015 von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie ins Leben gerufen. Sie wird geleitet von Dr. Maya Niethard und Dr. Stefanie Donner und ist inzwischen zu einer fächer-, gremien- und vereinsübergreifenden Arbeitsgruppe gereift. Sie hilft, berät und vernetzt schwangere Ärztinnen und Medizinstudentinnen. Das OPidS-Positionspapier stellt eine wissenschaftliche Aufarbeitung aller Vorgaben des Mutterschutzgesetzes für Orthopädie und Unfallchirurgie dar.

Weitere Informationen finden Sie auf: www.opids.de

 

Literatur:
1 Fritze-Büttner F et al. Innov Surg Sci (2020). DOI: 10.1515/iss-2020-0025

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V.

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