vasomed 3 | 2024

36. Jahrgang_3_2024 99 Fortbildung CME // der Beeinflussung von Erst- und Rezidivthromboserisiko. Wichtige dispositionelle und expositionelle Risikofaktoren für VTE sind in Tabelle 1 aufgeführt. Thrombophilie Unter dem Begriff der Thrombophilie werden angeborene genetisch-determinierte oder erworbene Störungen des Gerinnungssystems bezeichnet, die mit einer Erhöhung des Risikos für thrombotische Ereignisse einhergehen (4). Hierbei steigern insbesondere genetisch-determinierte bzw. hereditäre thrombophile Risikofaktoren das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE). Eine Risikoerhöhung für arterielle Ereignisse ist ebenfalls nachweisbar, aber für die häufigen milden genetisch-determinierten Risikofaktoren klinisch nicht relevant. Lediglich schwere genetisch-determinierte und erworbene thrombophile Risikofaktoren, insbesondere das Antiphospholipidsyndrom (APLS), können auch zu einer klinisch relevanten Steigerung des arteriellen Ereignisrisikos führen; hierauf wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen und auf entsprechende Literatur verwiesen. Thrombophile Risikofaktoren stellen wichtige dispositionelle Risikofaktoren für VTE dar. Sie sind ggf. bei der Risikostratifikation bei Patienten zur Abschätzung des Erst- und Rezidivthromboserisikos hilfreich und können zur Festlegung der optimalen Präventions- und Therapiestrategie beitragen. Betont werden muss, dass die Bewertung thrombophiler Risikofaktoren stets im Gesamtkontext erfolgen muss. Sowohl bei Abschätzung des Erstthromboserisikos als auch bei der Beurteilung des Rezidivrisikos müssen die klinischen Umstände sowie sämtliche sonstige Risikofaktoren berücksichtigt werden und in die Bewertung einfließen. Eine alleinige Labordiagnostik im Hinblick auf eine Thrombophilie ohne Berücksichtigung sonstiger Risikofaktoren ist problematisch und zumeist nicht zielführend. Die wichtigsten genetisch-determinierten thrombophilen Risikofaktoren sind die Faktor-V-Leiden-Mutation (FaktorV-G1691A), die Prothrombinmutation G20210A (Faktor-II-G20210A) sowie der Protein C-, Protein S- und Antithrombinmangel (4). Wichtigste erworbene thrombophile Hämostasestörung ist das Antiphospholipidsyndrom (APLS); des Weiteren können auch andere Krankheitsbilder wie myeloproliferative Erkrankungen (MPS) sowie paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) mit einem gesteigerten Risiko für arteriell-thrombotische Ereignisse einhergehen, worauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird. Grundsätzlich führen auch inflammatorische Prozesse zu einer prothrombotischen Verschiebung des hämostatischen Gleichgewichtes und somit zu einer Erhöhung des Thromboserisikos; beispielsweise ist die Assoziation chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) mit dem Auftreten thrombotischer Ereignisse gut belegt. Nachfolgend werden die wichtigsten thrombophilen Risikofaktoren einschließlich der adäquaten Diagnostik dargestellt. In Tabelle 2 sind die diagnostischen Verfahren der Wahl für klinisch relevante thrombophile Hämostasestörungen dargestellt. Hereditäre Thrombophilie Faktor-V-Leiden-Mutation (Faktor-V-G1691A): Bei der Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um den häufigsten genetisch-determinierten Risikofaktor, der in heterozygoter Ausprägung mit einer Prävalenz von 5–7% und in homozygoter Ausprägung mit einer Prävalenz von bis ca. 0,5 % in der Allgemeinbevölkerung vorkommt. Durch diese Punktmutation (G1691A) kommt es zu einem Aminosäureaustausch im Faktor-V-Gen, welcher die Spaltungsstelle in Gerinnungsfaktor V für aktiviertes Protein C (aPC) betrifft. Aufgrund der Mutation kann aktivierter Faktor V (Faktor Va) an dieser Stelle durch aPC nicht mehr effektiv gespalten werden, was zu einer verzögerten Inhibition des aktivierten Gerinnungsprozesses führt. Hierdurch resultiert ein erhöhtes Thromboserisiko (5). Das Risiko für venöse thrombotische Ereignisse ist bei Trägern der heterozygoten Mutation gegenüber Nichtträgern etwa 5–7-fach gesteigert, die Risikosteigerung bei homozygoter Mutation liegt bei ca. 30–50-fach (4). Während die homozygote Mutation auch das Rezidivrisiko nach thrombotischen Ereignissen erhöht, geht die heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation nicht mit einem gesteigerten Rezidivrisiko nach thromboembolischen Erstereignissen einher. Als Suchtest für die Faktor-V-LeidenMutation steht die Bestimmung der Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C (aPC) zur Verfügung („aPC-Resistenzindex“); dieser Test hat einen hohen prädiktiven Wert hinsichtlich des Vorliegens einer Faktor-V-Leiden-Mutation. Zum Nachweis der Mutation kann eine genetische Untersuchung durchgeführt werden. Dies ist insbesondere auch erforderlich, um eine heterozygote von einer homozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation zu differenzieren. Prothrombinmutation (Faktor-IIG20210A): Bei der Prothrombinmutation G20210A handelt es sich um eine Mutation im 3´-nicht-translationierten Abschnitt des Prothrombingens, wodurch es zu einer vermehrten Synthese von Prothrombin kommt. Das erhöhte Thromboserisiko kann durch eine erhöhte Thrombinbildung bei Erhöhung des Prothrombinspiegels erklärt werden (6). Nach der Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich bei der heterozygoten Prothrombinmutation G20210A um den zweithäufigsten genetisch-determinierten thrombophilen Risikofaktor mit einer Prävalenz von 2–4 % in der Allgemeinbevölkerung; das Risiko für venöse thrombotische Ereignisse ist ca. 2–4-fach gesteigert (4), das Rezidivrisiko bei Trägern der heterozygoten Prothrombinmutation ist hingegen nicht erhöht. Die homozygote Variante dieser Mutation ist sehr selten, sodass diesbezüglich keine exakten Angaben gemacht werden können; die Relevanz im Hinblick auf Erst- und Rezidivthromboserisiko ist vermutlich ähnlich wie bei der homozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation. Zur Bestimmung der Prothrombinmutation G20210A wird primär eine genetische Untersuchung durchgeführt. Ein Nachweis mit einem Gerinnungstest ist nicht möglich; insbesondere erlaubt die Bestimmung der Faktor-II-Aktivität bzw. des Prothrombinspiegels keine Aussage über das Vorliegen dieses thrombophilen Risikofaktors. Anzumerken ist, dass verschiedene andere Prothrombinmutationen existieren, die aber in ihrer Wertigkeit hinter der Prothrombinmutation G20210A zurückstehen; in der Routinediagnostik sollte

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