vasomed 1 | 2024

36. Jahrgang_1_2024 33 Fortbildung Serie // Mangel beobachtet werden. Alle VKAs sind plazentagängig und können fetale Missbildungen hervorrufen. Daher sollten diese Medikamente nicht in der Schwangerschaft angewandt werden. Direkte orale Antikoagulanzien Die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) sind kleine Moleküle, die reversibel an das aktive Zentrum des Zielenzyms binden. Zu den DOAKs gehören die Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban und der Thrombin-Inhibitor Dabigatran (3). Diese Substanzen fluten jeweils sehr rasch an und ab und ihre Halbwertszeiten erlauben die ein- bis zweimal tägliche Gabe. Die DOAKs werden in fester Dosierung ohne Gerinnungsmonitoring verabreicht. Tabelle 4 fasst die pharmakologischen Eigenschaften dieser verschiedenen Substanzen zusammen. Die DOAKs wurden in randomisierten Studien bei 27.023 Patienten mit akuter venöser Thromboembolie mit der konventionellen Antikoagulationstherapie verglichen. In gepoolten Analysen dieser Studien traten bei 2,0 % der Patienten unter DOAK und bei 2,2 % der Patienten unter VKA rezidivierende letale und nicht letale venöse Thromboembolien auf (relatives Risiko [RR] 0,90, 95 % Konfidenzintervall [CI] 0,77–1,06). Im Vergleich zu VKA reduzierten die DOAKs das Risiko für starke Blutungen um 39 % (RR 0,61, 95 % CI 0,45– 0,83), das Risiko für intrakraniale Blutungen um 63 % (RR 0,37, 95 % CI 0,21–0,68) und das Risiko für eine letale Blutung um 64 % (RR 0,36, 95% CI 0,15–0,84). Außerdem traten klinisch relevante nicht starke Blutungen unter DOAKs um 27 % seltener auf als unter Vitamin-K-Antagonisten (RR 0,73, 95 % CI 0,58–0,93). Daher sind DOAKs einer gut eingestellten Therapie der venösen Thromboembolie mit VKA zwar nicht unterlegen, aber mit signifikant weniger Blutungen verbunden. Zur qualitativen Bestimmung der antikoagulatorischen Aktivität (bei Überdosierung, bei Blutungen oder präoperativ) kann bei den Faktor-Xa-Inhibitoren die Prothrombinzeit herangezogen werden und für Dabigatran die aPTT. Rivaroxaban und Edoxaban verlängern die Prothrombinzeit stärker als Apixaban. Aufgrund des begrenzten Effekts von Apixaban auf die Prothrombinzeit sind sogar Anti-Faktor-Xa-Assays erforderlich, um seine Aktivität zu ermitteln. Zur Interpretation der Ergebnisse dieser Tests ist der Zeitpunkt der letzten Gabe, bezogen auf die Blutentnahme erforderlich (6). DOAKs werden mit einer erhöhten Rate an gastrointestinalen Blutungen in Verbindung gebracht. Eine Erklärung ist, dass nicht resorbierte Substanzreste im Darm die Blutungen aus vorbestehenden Läsionen verstärken. Bei kleineren Blutungen reicht es meist, ein oder zwei Dosierungen auszulassen. Bei schweren Blutungen sollten das Antikoagulans und die Aggregationshemmer ausgesetzt werden, der Patient sollte bei Bedarf Flüssigkeit und Blutprodukte erhalten und die Blutungsstelle nach Möglichkeit identifiziert und behandelt werden. Wichtig ist der letzte Einnahmezeitpunkt. Durch die orale Gabe von Aktivkohle kann die Resorption verhindert werden, sofern sie nicht länger als zwei bis vier Stunden zurückliegt. Alle DOAKs können die Plazenta passieren und sind in der Schwangerschaft und bei stillenden Frauen kontraindiziert. Antidots von DOAKs: Bei lebensbedrohlichen Blutungen und anderen Notfallsituationen kann Idarucizumab als spezifisches Antidot für Dabigatran gegeben werden. Das monoklonale Antikörperfragment Idarucizumab bindet Dabigatran mit hoher Affinität. Dabei entsteht ein 1:1-Komplex, der über die Nieren ausgeschieden wird. Idarucizumab wird als intravenöser Bolus von 5 g gegeben (4). Die Wirkung von Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban kann durch Andexanet alfa aufgehoben werden. Wenn diese Substanz nicht sofort zur Verfügung steht, ist bei den oralen Faktor-Xa-Hemmern auch die Gabe von Prothrombinkomplexkonzentrat wirksam. Antisense-Oligonukleotid gegen Faktor XI Neue Faktor-XI-Inhibitoren sind in der Zulassung, weil aktiviertem Gerinnungsfaktor XI eine wesentliche pathogene Bedeutung an der Entstehung von Thrombosen beigemessen wird, aber eine geringere Blutungsrate (10). In einer Parallelgruppen-Phase2-Studie wurden 1.242 Patienten, die sich einer Knieendoprothesen-Operation unterzogen, nach dem Zufallsprinzip einer von sieben postoperativen Dosierungen mit Milvexian (25 mg, 50 mg, 100 mg oder 200 mg zweimal täglich oder 25 mg, 50 mg oder 200 mg einmal täglich) oder Enoxaparin (40 mg einmal täglich) zugeteilt. Schwere oder klinisch relevante nichtschwere Blutungen traten bei 1 % der Patienten in der Milvexian-Gruppe und bei 2% in der Enoxaparin-Gruppe auf, und schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden bei 2% bzw. 4% beobachtet. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Unterschiede im Sicherheitsendpunkt Blutung in andere Studien reproduzieren lassen und diese Präparate eine Zulassung erhalten. Literatur online unter https://www.ni-a.de/ vasomed_aktuelle_beitraege Merkmal Rivaroxaban Apixaban Edoxaban Dabigatran Ziel Xa Xa Xa Thrombin Prodrug nein nein nein ja Bioverfügbarkeit 80 % 60 % 50 % 6 % Dosierung 1(–2) × tgl. 2 × tgl. 1 × tgl. (1–)2 × tgl. Halbwertszeit 7–11 h 12 h 9–11 h 12–17 h renale Ausscheidung 33 % (66 %) 25 % 35 % 80 % Monitoring nein nein nein nein Wechselwirkungen 3A4/P-Glykoprotein 3A4/P-Glykoprotein P-Glykoprotein P-Glykoprotein Tab. 4: Pharmakologische Eigenschaften der verschiedenen direkten oralen Antikoagulanzien. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Knut Kröger Helios Klinikum Krefeld Klinik für Angiologie Lutherplatz 40, 47805 Krefeld knut.kroeger@heliosgesundheit.de

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