vasomed 1 | 2024

36. Jahrgang_1_2024 24 Kongress // 30. Bonner Venentage Kompressionssystemen (MAK) erfolgen. In der Langzeitbehandlung sollten im Routinefall MKS bevorzugt werden. Da es sich beim Lipödem primär weder um eine Ödemerkrankung noch um ein Krankheitsbild mit venöser oder lymphatischer Funktionsstörung handelt, ist die Zielrichtung der Kompressionstherapie beim Lipödem die Reduktion von Schmerz und anderen subjektiven Symptomen. In einer aktuellen randomisierten prospektiven Pilotstudie wurden sechs Patientinnen mit Lipödem in eine Gruppe mit einem reinen Bewegungsprogramm und eine Gruppe mit Bewegungsprogramm und Kompressionstherapie (Kompressionsklasse (KKL) 2, flachgestrickt) randomisiert und über sechs Wochen nachuntersucht (6). Im Vergleich zur Gruppe ohne Kompression konnte in der Kompressionsgruppe eine signifikante Reduktion des Palpationsschmerzes und der Hämatomneigung beobachtet werden, auch zeigte sich in der Kompressionsgruppe eine Tendenz dahingehend, dass die Umfänge gleichblieben oder abnahmen, während sie in der Gruppe ohne Kompression zunahmen. Die Auswahl des Kompressionsmaterials bzw. einer mehrteiligen Versorgung soll zur Verbesserung der Adhärenz und Wirksamkeit in enger Absprache von Patientin, Arzt, Therapeut und Versorger erfolgen. Ob rund- oder flachgestrickte MKS verordnet werden können, hängt sowohl von der Extremitätenform als auch von der Gewebebeschaffenheit ab. Nicht nur bei vertieften Gewebefalten, sondern auch bei großen Umfangsänderungen oder konisch geformten Extremitäten soll eine flachgestrickte Qualität verordnet werden, da bei diesen anatomischen Verhältnissen rundgestricktes Material ungeeignet ist. Dies kann also ausdrücklich auch im bisherigen Stadium 1 der Fall sein, weshalb noch einmal betont werden soll, dass die Verordnung von Flachstrickstrümpfen stadienunabhängig erfolgen muss. Bei Ablehnung der Flachstrickversorgung durch die Kassen kann man sich diesbezüglich also ausdrücklich auf die Leitlinie berufen. Eine starre Zuordnung einer KKL zur Diagnose Lipödem soll nicht erfolgen, vielmehr soll immer die niedrigste KKL bevorzugt werden, die zu einer ausreichenden Symptomlinderung führt, da dies die Adhärenz unterstützt. Intermittierende pneumatische Kompressionstherapie Auch für die IPK gibt es die Empfehlung, dass sie zur Schmerzlinderung sowie zur Reduktion begleitender Ödeme anderer Ursache auch als Heimtherapie eingesetzt werden sollte. Physiotherapie Das Kapitel Physiotherapie gibt einen sehr ausführlichen Überblick über die verschiedenen Therapieoptionen, die weit über die Manuelle Lymphdrainage (MLD) hinausgehen. Für den Fall, dass die Kompression von der Patientin anfänglich nicht toleriert wird und deshalb nicht anwendbar ist oder allein nicht zu einer Schmerzreduktion führt, lautet die Empfehlung, dass das Leitsymptom Schmerz dann mittels zusätzlicher Lymphdrainage in Kombination mit weiteren Therapietechniken behandelt werden kann, wobei die MLD hierbei nicht auf eine Volumenreduktion, sondern auf die Modulation der C-Fasern abzielt. Eine stärkere Empfehlung für die MLD in diesen Fällen konnte sich bei der Konsensussitzung nicht durchsetzen, wohl aber bezüglich der Verbesserung der Lebensqualität: Die MLD sollte in Kombination mit weiteren Therapietechniken zur Verbesserung der Lebensqualität in Betracht gezogen werden. Bewegung in Kompression bzw. ein Trainingsprogramm als wichtiges Element in der Schmerzreduktion erhält eine starke Empfehlung und soll in das therapeutische Gesamtkonzept einbezogen werden. Psychosoziale Aspekte Da psychische Störungen Symptome und Lebensqualität von Lipödempatientinnen beeinflussen können, sollte dies bei der Diagnostik und Therapie des Lipödems beachtet werden. Hierzu zählen z. B. Essstörungen, Depressionen, posttraumatische Symptome nach Gewalt und Missbrauch. Dabei sollte ein interdisziplinärer Therapieansatz verfolgt werden. Schwere Essstörungen oder schwere Depressionen sollen vor operativen Eingriffen behandelt werden. Ernährung und Gewichtsmanagement Einen wesentlich größeren Raum als bisher nehmen in der neuen Leitlinie Empfehlungen zur Ernährung ein, nicht nur in Bezug auf das Gewichtsmanagement, sondern auch auf die Beschwerdebesserung. Wie auch die übrigen Therapiemaßnahmen sollen Ernährung und Gewichtsmanagement dazu beitragen, Mobilität und Funktionalität zu erhalten oder wiederzuerlangen und ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, wobei die Ziele zum einen die Erreichung oder Erhaltung einer gesunden Körperzusammensetzung, zum anderen die Reduktion von Schmerzen und Beschwerden sein sollen. Starke Empfehlungen gibt es deshalb für eine frühe Aufklärung über die Bedeutung einer gesunden Ernährung und eines aktiven Lebensstils und darüber, dass bei Übergewicht oder Adipositas mit einer geeigneten Ernährung auch das Beinvolumen durch Gewichtsreduktion reduziert werden kann. Dabei soll den Patientinnen vermittelt werden, dass sie kurzfristige Diäten vermeiden und stattdessen dauerhaft auf eine individuell angepasste, gesunde Ernährungsweise umstellen sollen. An speziellen Ernährungsformen werden sowohl eine bei Bedarf hypokalorische, mediterrane Ernährung aufgrund ihrer antiinflammatorischen Eigenschaften (7, 8) als auch eine ebenfalls bei Bedarf hypokalorische ketogene Ernährung empfohlen, wobei für letztere in rezenten Publikationen sowohl gewichtsreduzierende als auch entzündungshemmende und symptomreduzierende Effekte beschrieben wurden (9–13). Bei der Indikationsstellung für einen bariatrischen Eingriff soll die Waist-toHeight-Ratio mitberücksichtigt werden, da bei ausgeprägter Disproportion der BMI allein nicht aussagefähig ist (5). Operative Therapie Auch die Indikationsstellung zur Liposuktion soll sich nicht mehr an der herkömmlichen Stadieneinteilung orientieren, da es keine Korrelation zwischen der Schwere der Symptomatik und der Stadieneinteilung gibt. Stattdessen sollen für die Indikation einer Liposuktion sowohl dokumentierte therapierefraktäre Schmerzen als auch Komplikationen wie

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