vasomed 1 | 2024

36. Jahrgang_1_2024 17 Kongress 30. Bonner Venentage // Jeder pathologische Befund bedarf einer mindestens einmaligen Kontrolle, bevor eine Diagnose gestellt wird, bei V. a. ein APLS erstmals nach ca. zwölf Wochen. Bei genetischen Untersuchungen ist keine Kontrolle erforderlich. Die Befunde sollten dokumentiert und dem Patienten ausgehändigt werden Häufigkeit und Schweregrade einer Thrombophilie sowie therapeutische Konsequenzen Häufigkeit und Schweregrade von Thrombophilien gehen in die Empfehlungen zur primären und sekundären medikamentösen Thromboseprophylaxe von betroffenen Personen und Patienten ein (Tab. 1). In der Allgemeinbevölkerung liegt das durchschnittliche absolute Risiko für eine erste Venenthrombose bei 1 : 1.000/ Jahr; es ist deutlich geringer bei Kindern und steigt mit zunehmendem Lebensalter an. Milde Thrombophilie-Defekte (= häufig), wie z. B. die heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation, haben ein absolutes Thromboserisiko von etwa 7 : 1.000/ Jahr. Bei schwerwiegenden Defekten (= seltener), wie z. B. der homozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation, steigt das absolute Thromboserisiko deutlich an auf etwa 4 : 100/Jahr. Thrombophilie-Defekte gehören zum „Risikofaktorenpool“ und nehmen damit Einfluss auf das Rezidivrisiko nach Absetzen einer Antikoagulation bei stattgehabter venöser Thromboembolie (Abb. 1). Milde hereditäre Thrombophilie-Defekte haben – für sich allein betrachtet – in der Regel keine therapeutische Konsequenz hinsichtlich einer Langzeit-Antikoagulation. Eine medikamentöse Thromboseprophylaxe erscheint aber z. B. auf Langstreckenreisen indiziert und additive thrombogene Risikofaktoren wie z. B. die Einnahme eines kombinierten Östrogen-Gestagen-Präparats zur Empfängnisverhütung sollten vermieden werden (Ausnahme: Einnahme während einer Antikoagulation). Schwerwiegende hereditäre Thrombophilie-Defekte werden bezüglich ihres Thromboserisikos als klinisch bedeutsam eingestuft und erfordern immer besondere Vorsichtsmaßnahmen. Dazu gehören eine sehr stringente medikamentöse Thromboseprophylaxe auch bereits bei leichten Risikosituationen und die Erwägung einer langzeitigen Antikoagulation nach abgelaufener venöser Thromboembolie. Frauen, die während hormoneller Kontrazeption eine VTE erlitten haben, erhalten in einer nachfolgenden Schwangerschaft eine prophylaktische Antikoagulation unabhängig vom Nachweis eines Thrombophilie-Defekts. Das (erworbene) Antiphospholipid-Syndrom Die Krankheit wird hervorgerufen durch heterogene, polyklonale, autoimmune Antikörper, die gegen anionische Phospholipide auf Plasmaproteinen gerichtet sind. Die Prävalenz liegt bei 1 : 2.000, die Inzidenz bei 1–2/100.000 Einwohner/Jahr. Frauen sind häufiger betroffen als Männer (5 : 1) mit einem mittleren Erkrankungsalter von 34 Jahren. Ein APLS ist klinisch und laborchemisch nicht einfach zu diagnostizieren. Die Labordiagnostik in einem spezialisierten Gerinnungslabor ist vorteilhaft. Der Verdacht auf ein APLS ergibt sich bei: • atypischen Thrombosen im Alter <50 Jahre • Schwangerschaftskomplikationen (Aborte, Prä-/Eklampsie, Plazentainsuffizienz) • Autoimmunkrankheiten • spontan verlängerter partieller Thromboplastinzeit (APTT) • Thrombozytopenie Das APLS gehört im Falle einer TriplePositivität (= Vorhandensein aller drei Untereinheiten, s. o.) zu den schwerwiegenden erworbenen ThrombophilieDefekten. In diesem Fall wird nach venösen/arteriellen Thromboembolien i. d. R. langfristig antikoaguliert und zwar vorzugsweise mit niedermolekularem Heparin oder mit einem Vitamin-KAntagonisten, da unter direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) vermehrt arterielle Thrombosen (Myokardinfarkt, Hirninfarkt) beobachtet wurden. Bei „nicht triple-positivem APLS“ kann mit einem DOAK behandelt werden, insbesondere dann, wenn kein Lupusantikoagulans vorhanden ist. Literatur 1. S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie, Stand 2023. AWMF-Register Nr. 065/002. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Viola Hach-Wunderle Gefäßzentrum am Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2-26 60488 Frankfurt/Main und Praxis Innere Medizin und Gefäße Fahrgasse 89, 60311 Frankfurt/Main Hach-Wunderle@t-online.de FOTOS: WEITWINKEL – SHUTTERSTOCK Abb. 1: Risikostratifizierung für Rezidiv-VTEs unter Berücksichtigung von Thrombophilien (mod. nach (1)). VTE: venöse Thromboembolien persistierende starke Risikofaktoren (RF): z. B. akute Tumorerkrankung, AntiphospholipidSyndrom, schwere hereditäre Thrombophilie, Rezidiv-VTE (ohne starke/reversible RF) hoch (>8 %/Jahr) unbefristete Antikoagulation in Therapiedosis therapeutische Konsequenz Risikofaktor bzw. Trigger bei Index-VTE Rezidivrisiko nach Absetzen der Antikoagulation moderat (3–8 %/Jahr) gering (<3 %/Jahr) zeitlich befristete Antikoagulation individuelle NutzenRisiko-Abwägung nach 3–6 Monaten bei Entscheidung zur Fortführung der Antikoagulation Dosisreduktion erwägen (z. B. Apixaban, Rivaroxaban in „Niedrigdosis”) persistierende schwache RF: z. B. milde Thrombophilie, chron. entzündl. Darmerkrankungen, aktive Autoimmunerkrankungen, Paresen der unteren Extremitäten transiente schwache RF: z. B. kleiner operativer Eingriff, Beinverletzungen ohne Fraktur, Langstreckenreise >6–8 h, Östrogentherapie, Schwangerschaft, Wochenbett transiente starke RF: z. B. OP mit Vollnarkose >30 min, Trauma mit Fraktur, Krankenhausaufenthalt mit Immobilisierung ≥3 Tage spontanes VTE-Ereignis ohne RF/Trigger

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=