vasomed 1 | 2024

36. Jahrgang_1_2024 16 Kongress // 30. Bonner Venentage Der Begriff „Thrombophilie“ leitet sich aus dem Altgriechischen ab von thrombos = Klumpen sowie philein = lieben und bedeutet eine erhöhte Thromboseneigung. Thrombophilie-Defekte können angeboren oder erworben sein; sie können selten oder häufig auftreten und dabei einen milden oder einen schwerwiegenden Einfluss auf die Thromboseneigung nehmen. Der häufigste und bekannteste, jedoch eher milde angeborene Defekt ist die heterozygote FaktorV-Leiden-Mutation. Die schwerwiegendste erworbene, jedoch eher seltenere Gerinnungsstörung ist das triple-positive Antiphospholipid-Syndrom (APLS). Indikation für ein ThrombophilieScreening Die Indikation zur Thrombophilie-Diagnostik ist umstritten. Sie wird häufig durchgeführt, wenn venöse Thromboembolien (VTE) vor dem 50. bzw. arterielle Thrombosen vor dem 30. Lebensjahr auftreten, vor allem wenn keine weiteren eindeutigen Ursachen wie Malignom oder auslösendes Trauma bekannt sind. Auch eine familiäre Disposition zu VTEs, eine ungewöhnliche Lokalisation z. B. in Sinus oder Viszeralvenen sowie rezidivierende Ereignisse gelten als Indikationen. Ohne abgelaufene Thromboembolien ist die Indikation streng zu stellen. Sie ist z. B. gegeben bei Frauen mit Kinderwunsch und positiver Familienanamnese (mit VTEs <50. Lebensjahr) und/oder bekannter angeborener Thrombophilie. Besondere Vorsicht ist geboten bei asymptomatischen jungen Familienangehörigen. Im Voraus sind potenzielle Nachteile eines Screenings zu berücksichtigen und zu kommunizieren. Bei Nachweis eines Defekts und den daraus resultierenden Therapiemaßnahmen können Patienten und Angehörige verunsichert werden. Auch ist mit versicherungsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Keine TestIndikation besteht bei jungen Frauen vor erster Einnahme eines oralen Kontrazeptivums, da das absolute VTE-Risiko sehr niedrig ist (<0,01 %/Jahr). Untersuchungsprogramm auf Thrombophilie Das Untersuchungsprogramm besteht im Wesentlichen aus den fünf klassischen angeborenen Thrombophilien, für die ein Zusammenhang mit VTEs gesichert ist. Dazu gehören Genanalytik auf eine Faktor-V-Leiden-Mutation (ggf. alternativ nicht-genetische Bestimmung auf APCResistenz), Genanalytik auf eine Prothrombin-G20210A-Mutation sowie Messung der Aktivitäten von Antithrombin, Protein C und Protein S. Als wichtigste erworbene Thrombophilie gilt das APLS mit den drei Entitäten Lupusantikoagulanzien, Anti-Cardiolipin-Antikörper vom IgG- und IgM-Typ sowie Anti-beta2-Glykoprotein-I-Antikörper vom IgG- und IgM-Typ. Erhöhungen der Faktoren VIII und XI sowie die Blutgruppenmerkmale A, B, AB werden von einigen Untersuchern als „thrombogen“ eingestuft und ebenfalls bestimmt. Zum Zeitpunkt der Beendigung einer Antikoagulation können D-Dimere in die Entscheidungsstrategie eingehen. Vorsicht! Genetische Untersuchungen bedürfen einer Aufklärung im Vorfeld sowie einer Besprechung pathologischer Befunde im Nachhinein durch eine Ärztin bzw. einen Arzt mit Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung und betroffene Personen/Patienten müssen schriftlich in die Untersuchung einwilligen. Untersuchungszeitpunkt und Kontrollen bei ThrombophilieVerdacht Ein Thrombophilie-Screening ist vor geplanter Einleitung einer Antikoagulation möglich, aber eher unüblich. Die Ergebnisse nehmen zudem keinen Einfluss auf die Akuttherapie. In den ersten vier Wochen einer Antikoagulation sollte keine Therapieunterbrechung für die Diagnostik erfolgen, um eine Thromboseprogredienz zu vermeiden. Die favorisierte Strategie ist die Untersuchung bei geplanter Beendigung der Antikoagulation. Die Ergebnisse können durchaus die Dauer einer Antikoagulation mitbeeinflussen, vor allem, wenn es sich um schwerwiegende Defekte handelt. Angeborene und erworbene Thrombophilie – ein Update V. Hach-Wunderle Gefäßzentrum am Krankenhaus Nordwest, Frankfurt/Main & Praxis Innere Medizin und Gefäße, Frankfurt/Main het.: heterozygot; hom.: homozygot Tab. 1: Thrombophilie – Häufigkeit und Thromboserisiko (erste tiefe Venenthrombose). Gerinnungsstörung Prävalenz Bevölkerung (%) Anteil an venösen Thrombosen (%) absolutes jährliches Risiko (%) keine Thrombophilie – – 0,1 het. Faktor-V-Leiden-Mutation 5 19–40 0,7 het. Prothrombin-Mutation 2–3 7–16 0,3 hom. Faktor-V-Leiden-Mutation 0,02 1–3 4,0 persist. erhöhter Faktor VIII 11 25 0,5 Blutgruppe A, B oder AB („non-0“) 55 75 0,2 het. Protein-C-Mangel 0,2–0,4 3–5 1,5 het. Protein-S-Mangel 0,03–0,1 2–4 0,5–1,1 het. Antithrombin-Mangel 0,02–0,2 1,5–3,0 0,4–5,0 erworben: Antiphospholipid-Syndrom 1–5 (?) 2–10 0,5–1,0

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=