Wirtschaftsmagazin für die frauenärztliche Praxis 5/2022

einherging.7 Im Beobachtungszeitraum von zwölf Jahren (2010–2021) zeigte sich eine dreifache Erhöhung des kardialen Risikos unter Gestagen-Monopillen, bei Einnahme von reinen Östrogenpräparaten oder Kombinationspillen war das Risiko hingegen nicht höher als bei jenen Frauen ohne orale Kontrazeption. Die Studienautoren schlossen daraus, dass reine Gestagen-Präparate bei diesen Frauen kontraindiziert seien. Damit stellt sich die Frage, ob das gleiche auch für das Herz gesunder Frauen bezüglich physischer Leistungsfähigkeit und sportlicher Aktivitäten gilt. In einer Metaanalyse von 42 Studien (nur 15% wurden als hochwertig eingestuft) mit 590 Sportlerinnen (ca. 14 Probandinnen je Studie) konnte keine generelle Aussage zum Herzrisiko gemacht werden.8 In einer Studie mit 430 Spitzensportlerinnen9 nutzten sieben von zehn Kombinationspillen und drei von zehn eine reine Gestagen-Kontrazeption. Die Gestagen-Gruppe berichtete doppelt so oft von negativen Nebenwirkungen wie die Kombinationspillen-Gruppe (39% zu 18%). Bei GestagenImplantat-Trägerinnen betrug der Unterschied den Faktor drei (54%). Sportliche Aktivität besser unter Pille? Zyklusabhängige Leistungsschwankungen sind laut Lee et al. durch die Kombinationspille ausgleichbar.10 Das gilt nach Ruzić et al. jedoch nicht für antiandrogene Gestagene.11 Vordere Kreuzbandverletzungen kommen bei Frauen neunmal häufiger vor als bei Männern. Nach einer Untersuchung von Konopka et al. ist das durch die Kombinationspille reduzierbar.12 Dies wurde in einer Metaanalyse von 29 Studien bestätigt.13 Weiterhin sollen unter Kombinationspillen laut einer Studie die Symptome einer Gehirnerschütterung beim Schulsport geringer sein.14 In einer Untersuchung von Leon-Larios et al. zeigte sich, dass Studentinnen (n = 992) unter der Kombinationspille eine bessere Lebensqualität aufweisen.15 In einer kontrollierten Studie von 2018 (n=805) wurde deutlich, dass Kombinationspillen bereits nach sechs Monaten Menorrhagien und starke Blutungen bei 77% „normalisieren“ können, unter Placebo waren es 3%.16 Allerdings ist die PillenAufklärung laut Bahamondes et al. nach englischsprachiger Literatur (1990–2021) sehr schlecht.17 So werde zum Beispiel nicht mitgeteilt, dass weniger Muskelschäden durch Sport unter einer Kombinationspille auftreten würden.18 Kombinationspille zur Substitution „legalisiert“ Die Behandlung myombedingter Beschwerden durch Antagonisierung des GnRH-Rezeptors mit Relugolix wurde im Juli 2021 in Verbindung mit einer Kombinationspille (1mg Tab. 2: Welche Verhütungsmittel werden heute angewandt?20 Verhütungsmittel Anteil der Befragten Pille 47% Kondom 46% Spirale 10% Sterilisation des Mannes 3% Kalendermethode 3% Sterilisation der Frau 2% Temperaturmethode 2% Vaginalring, Nuvaring 2% Dreimonatsspritze 1% Sonstiges 3% Estradiol + 0,5mg Norethisteronacetat) als Fixkombination zugelassen. Die Hormonergänzung soll klimakterischen Beschwerden und einer Verringerung der Knochendichte entgegenwirken, was bei Relugolix alleine ausgelöst würde. Damit sind Kombinationspillen zur hormonellen Substitution im fertilen Alter quasi „amtlich“ anerkannt durch die European Medicines Agency (EMA) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Östrogenmangel erhöht Sterberisiko bei COVID-19 Bei Frauen im ferti len Alter mit Leistungsminderung durch Krankheiten aller Art wird eine Mono-Gestagen-Kontrazeption favorisiert. Ursache dafür ist nach Meinung des Autors eine irrationale Furcht vor Östrogenen. Bei Gefahr einer COVID-19-­ Infektion ist allerdings davon anzuraten, eine Kombinationspille abzusetzen, da dies das Mortalitätsrisiko bei COVID-19-Erkrankung erhöhen würde. Das konnte in einer schwedischen Kohorten-Studie aus 2022 (n = 50.000) festgestellt werden.19 Hier steigerten erniedrigte systemische Serum-Östrogenspiegel das Sterberisiko bei COVID-19-Patientinnen um den Faktor 2,35. Bei postmenopausalen Frauen mit HRT war dieses Risiko halb so hoch wie bei jenen ohne HRT (RR 0,45). Zusammenfassung Studien aus den letzten 20 Jahren sprechen für viele Vorteile von Kombinationspillen, die mit dem erhöhten VTE-Risiko, das durch sie entsteht, abzuwägen sind, z.B. eine bessere Lebensqualität, Krebsschutz, sportliche Leistungserhöhung, geringeres Verletzungsrisiko beim Sport und geringere Mortalität bei einer COVID-19-Erkrankung. — Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Dipl. Psych. J.M. Wenderlein Universität Ulm wenderlein@gmx.de MEDI Z I N 32 Wirtschaftsmagazin für die frauenärztliche Praxis 5/2022

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=