Wirtschaftsmagazin für die frauenärztliche Praxis 5/2022

Auf Estetrol (E4) wird in diesem Beitrag nicht eingegangen, da große Studien mit Langzeitbeobachtungen zum Schutz vor Krebs wie bei EE fehlen. Bis zu deren Ergebnissen bleiben Kombinationspillen, z.B. mit 20–35μg EE plus Levonorgestrel (LNG), die ersteWahl. Das VTE-Risiko liegt hier bei 2–5 je 10.000/Jahr und ist dem Eierstockkrebs-Risiko gegenüberzustellen. Eierstockkrebs-Früherkennung weiterhin nicht machbar Aus Großbritannien liegen die aktuellen Ergebnisse einer Langzeitstudie zum Screening auf Eierstockkrebs vor.5 Der sicherste primäre Studien-Endpunkt bei 50- bis 74-jährigen Frauen ist evident bei 16 Jahren Nachbeobachtung. Die Krebsstadien III und IV wurden durch das Screening nicht ausreichend reduziert, um das Leben der Frauen zu retten. Mit und ohne Screening trat bei 1% der untersuchten Frauen ein Ovarialkarzinom auf und 0,6% starben daran. Eine Einnahme der Kombinationspille hätte statistisch gesehen das Risiko eines Ovarialkarzinoms auf <0,3% senken können. Dies ist in Relation zu setzen mit dem geringen Mortalitätsrisiko infolge VTE unter Einnahme einer Kombinationspille, da eine VTE bei rechtzeitiger Diagnose gut behandelbar ist. In Deutschland nutzen ca. 7Mio. Frauen die Pille und ca. 250 Frauen sterben daran infolge einer VTE, also 0,36 je 10.000. In der Regel wiesen diese Frauen jedoch einen extrem riskanten Lebensstil auf. Bei den Angaben zum Auftreten von VTE-Ereignissen unter Pille je 10.000 liegt die 30-Tage-Mortalität bei 5–15%, u. a. abhängig von Alter, BMI oder einer Krebserkrankung. Laut National Health Service (UK) ist die Gesamtmortalität bei PillenNutzerinnen allerdings nicht erhöht.6 Schutz vor Krebs Über 7.000 Ovarialkarzinom-Neuerkrankungen/Jahr mögen „wenig“ erscheinen gegenüber 70.000 Brustkrebs-Neuerkrankungen/Jahr. Allerdings liegt die 10-Jahres-Überlebensrate bei einem Mammakarzinom bei 83%, bei Eierstockkrebs hingegen nur bei 17%. Jedes Jahr sterben ca. 6.000 Frauen an einem Eierstockkrebs. Diese Anzahl ließe sich vermutlich durch die Nutzung von Kombinationspillen über ≥10 Jahre reduzieren, da selbst nach dem Absetzen der Pille der Schutz für 30 Jahre anhält. Daraus lässt sich schließen, dass der Krebsschutz unter Pilleneinnahme weit höher als das VTE-Risiko ist, was aber nur mit Kombinationspillen und nicht mit Gestagen-Monopillen erreichbar ist. Bei einem Ovarialkarzinom sind unterdrückte Ovulationen und damit wesentlich geringere Mitoseraten eine Erklärung für den Krebsschutz. Hinzu kommt bei exogenen Östrogenen, egal ob in der Pille oder bei einer Hormonersatztherapie (HRT), dass diese zum Erhalt von Beta-Östrogenrezeptoren (ÖR) beitragen, die antiproliferativ wirken und vor Krebs schützen. Unter Östrogenmangel kommt es zu einer Rückbildung von ÖR; damit steigt ab der Menopause das Krebsrisiko deutlich an, auch für Brustkrebs. Auch ungewollte Schwangerschaften bei Jugendlichen sind langfristig ein gesundheitspolitisches Problem, denn intrauterin bewirkt dadurch ausgelöster andauernder psychosozialer Stress eine Telomerverkürzung bei männlichen Feten, die später mit erhöhter Morbidität und Mortalität einhergeht. Kardiovaskuläres Risiko In einer Studie aus Rochester/USA wurden 1.659 Frauen mit angeborenem Long-QTSyndrom (15–40 Jahre) untersucht, bei denen eine gestörte Erregungsleitung mit einem hohen Risiko für kardiale Ereignisse Abb. 2: Schutz vor Krebs (A) und erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (B) müssen bei der Verordnung der Pille gegenüber abgewogen werden. Tab. 1: VTE-Risiko bei Einnahme hormoneller Kontrazeptiva im Vergleich (EE: Ethinylestradiol).2 Kontrazeptivum VTE-Risiko je 10.000 Frauen/Jahr ohne hormonale Kontrazeption 3,7 Norethisteron 2,0 Desogestrel 2,1 Levonorgestrel-IUP 3,5 20μg EE + Desogestrel 6,8 30–40μg EE + Desogestrel 11,8 30–40μg EE+ Gestoden 11,0 50μg EE + Norethisteron 16,1 A B MEDI Z I N 31 Wirtschaftsmagazin für die frauenärztliche Praxis 5/2022

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